Mitnyán Lajos:

Über den ontologischen Status des dichterischen Wortes

(Übergänge zwischen Philosophie und Dichtung bei Rainer Maria Rilke und Martin Heidegger)


Einleitung


“Geheimnisvolles Leben (...)
Lass mich deinen Sinn erfahren,
denn ich vermute: Du bist groß.
Lass mich nicht sterben, eh ich weiß
wie sich der Tod zu dir verhält?
Ist er der Widerspruch der Welt?
Ist er Heil?
Ist er ein Teil von dir, des Lebens Teil?
Weil ich ihn nur so denken kann – im Leben.
Du musst mir nicht sagen wie alles ist.
Du musst mir nur einige Zeichen geben
und mich mit allen Dingen verweben,
darinnen du verwoben bist“
R.M. Rilke: Geheimnisvolles Leben (1901)1


Fragen, auf deren Beantwortung Rilke im Jahre 1901 scheinbar noch nicht vollkommen vorbereitet war. Das sind aber Grundfragen, fundamentale Fragen des Seins/Daseins, die mit solcher Frömmigkeit gestellt sind, dass einem der Atem stockt. Es mussten noch elf Jahre bis zum ersten gültigen Antwortversuch in der Ersten Duineser Elegie(1912) vergehen, und noch weitere zehn Jahre bis zum ‚endgültigen’ Ergebnis in der Zehnten Duineser Elegie(1922).

In meinem Aufsatz befasse ich mich in erster Linie nicht mit diesen Antworten. Statt dessen werde ich fragen, wie es kommt, dass 2000 Jahre der Philosophie das kaum bewirken könne, was die Dichter schon in wenigen Versen zu meistern fähig zu sein scheinen. Diese Fragen haben ja “das Forschen von Plato und Aristoteles in Atem gehalten, um freilich auch von da an zu verstummen“2. Die Frage nach dem Sein taucht natürlich hie und da immer wieder auf, auch wenn sie durch den jeweiligen wissenschaftlichen Diskurs stark mitgeprägt ist. Die Lyrik ist diejenige Gattung, welche dank ihrer einzigartigen sprachlich-künstlerischen Mitteln über eine außerordentliche Freiheit und Möglichkeit verfügt, sich über die gewöhnlichen Schranken [Objektbezogenheit, Vergegenständlichung, dualistische Denkweise] des menschlichen Denkens hinwegzusetzen und dadurch der Sprache zu ihrer vollen Entfaltung zu verhelfen. Die Sprache der Lyrik sei demnach das alternative Medium, wodurch die Aufgabe gelöst werden kann, die Seinsfrage gültig zu stellen und sie auch zu beantworten. Wir müssen uns aber immer vor die Augen führen, dass der Dichter nicht einfach nach dem Leben fragt, sondern nach dem Sinn des Lebens. Die Frage nach dem Sein – quasi die Seinsfrage – ist immer eine Frage nach dem Sinn des Seins3. Rilkes Frage richtet sich auch auf diesen Sinn. Er spricht aber nicht vom Sinn des Seins, sondern vom Sinn des Lebens. Das ganze Lebenswerk ins Betracht genommen, wissen wir aber, dass es für den Dichter bei diesem Wortgefüge um mehr geht, als um das, was durch die wortwörtliche Bedeutung der Wendung zum Ausdruck kommt. Wir müssen jetzt das Wort ’der Sinn’ genau unter die Lupe nehmen. [1] Fragt man nach dem Sinn einer Sache, will man die Bedeutung, das heißt: den geistigen Gehalt von dieser Sache erkennen. [2] Der ’Sinn’ involviert aber auch eine bestimmte Zielgerichtetheit, die aber unausgesprochen ist, und deshalb, nur wie eine Vorahnung präsent bleibt. Diese beiden Komponenten sind tief in diesem Wort verankert, und sie hängen außerordentlich eng zusammen. Bedeutung und Ziel stellen die Dimensionen des ’Sinn’-es dar. Den Sinn des Lebens zu erfassen, besagt die Bedeutung und das Ziel des Lebens zu verstehen. Hier ist eine Gegenseitigkeit zwischen diesen Dimensionen festzustellen. Wenn der Mensch die Bedeutung des Lebens erkennt, wird er zugleich auch das gesetzte Ziel von ihm begreifen können. Die Bedeutung ist das Ziel – das Ziel ist die Bedeutung.

Wenn Rilke nach dem Sinn des Lebens fragt, möchte er also Zweifaches: 1) eine Erklärung für die, durch den Tod dominierte Beschaffenheit des Lebens erhalten, und 2) eine Antwort auf die im ’Sinn des Lebens’ versteckte Frage: - Wozu das Leben? - bekommen.

Um die Antwort der Duineser Elegien besser verstehen zu können, muss man die Distinktion zwischen dem Leben und dem Sinn des Lebens genauer betrachten.

Der ganze Zyklus ist auf die Fehlerhaftigkeit der verhängnisvollen Vergegenständlichung durch das menschliche Denken aufgebaut, wobei die Welt vom Menschen zum Gegenstand gemacht wird, und dadurch nie richtig erfasst werden kann. In diesem Erkenntnisprozess wird die zu erkennende Welt zum Objekt des erkennenden Subjekts [des Menschen] gemacht. Das Leben wird also auch zum Gegenstand. Der Mensch müsste eine bestimmte Distanz aufnehmen, um das Leben richtiger betrachten zu können. Deshalb darf der Mensch nicht nach dem Leben, sondern nach dem Sinn des Lebens fragen. Wenn es nach dem Sinn von etwas gefragt wird, wird es nach der Bedeutung und Ziel gefragt. Mit dieser Frage sollte es vermieden werden können, das Leben als ein Objekt zu behandeln.

Martin Heidegger hat für dieses Problem die Distinktion der ontischen und ontologischen Differenz geprägt, welche für die nächste Deutung der Elegien-Texte einen wichtigen Impuls gegeben hat.

Um über das Sein nachdenken zu können, ohne in die Falle der Vergegenständlichung zu geraten, müssen wir einen neuen Weg des Denkens einschlagen, der uns aus der Subjekt-Objekt-Differenzierung – die sich in den Elegien als das eigentliche Hauptproblem heraußtellen wird – befreien kann. Wie ist es also möglich sich so auf das Leben oder auf den Tod zu besinnen, ohne sie zum Gegenstand dieser Besinnung zu machen. Das Wort ’Gegenstand’ sei hier in einem konkreten, existenziellem Sinn zu begreifen. Die feine Distinktion zwischen Leben und Sinn des Lebens soll diese Differenzierung überwinden. Diese Rilkesche – poetische – Distinktion findet ihr Pendant in der ontisch-ontologischen Differenz von Heidegger. In der Fundamentalontologie soll die Seinsfrage, immer eine Frage nach dem Sinn des Seins sein. Sonst wäre eine Frage nach dem Sein – was bei Rilke nie wortwörtlich ausgesprochen wird – eine Frage nach einem Objekt, was eben vermieden werden sollte. Schon auf diesem Punkt möchte ich darauf hinweisen, dass das Sein in den Duineser Elegien oft mit den verschiedensten Begriffen gleichgesetzt wird – das Offene, das reine Dauern, der reine Bezug usw. – welche aber am wenigsten mit dem diskursiven Charakter eines Begriffs der Philosophie zu tun hat. Und diese Tatsache des Unterschiedes zwischen dem Sprachgebrauch der Philosophie – wozu in diesem Zusammenhang auch die Alltagssprache gezählt werden soll – und der Dichtkunst, bildet eben den springenden Punkt diesen Aufsatzes. Heidegger beschreibt die zwei Ebenen des Seins mit seinen Mitteln: die Ebene der Phänomene [ontische Sphäre] und die Ebene des Nachdenkens über diese Phänomene [ontologische Sphäre].4 Dieses Nachdenken werden wir hier näher betrachten. Was für dieses Denken unmöglich ist: die phänomenale Seite des Seins gültig zu denken.

In der Sprache der Ontologie verflüchtigen sich die Phänomene, sie verlieren ihre Konsistenz und bleiben als bedeutungslose Präparate zurück.

Es ist eine Herausforderung die beiden Sphären des Seins in einer Einheit zu denken und sie auch sprachlich zu gestalten.

Kehren wir jetzt zu der Tatsache zurück, dass Rilkes Frage nicht auf den Sinn des Seins, sondern auf den des Lebens gerichtet ist. Wenn die Frage nach dem Sein so problematisch erwiesen hat, dass sie sogar die philosophische Sprache zum Verstummen brachte5, sollten jetzt die Dichter einen Versuch machen. Es gehört eine bestimmte Größe und die Demut dazu, die Grenzen der Wissenschaft im Zusammenhang mit der Seinsfrage eingestehen zu können.

Sein

Der späte Heidegger tut aber das. Symptomatisch ist, wie diese quasi poetische Entwicklung seiner späten Schaffensperiode, die durch einen stark metaphorischen Sprachgebrauch gekennzeichnet ist, von vielen scharf kritisiert wurde. Der lange Weg von Heidegger führte von der Frage nach dem Sein, durch das altertümlichen Seyn endlich bis zum wobei durch die eigenartige Orthographie (namentlich durch das Durchstreichen) die Unvermittelbarkeit und Unsäglichkeit des Seins markiert werden solle. Der Philosoph vertrat die Meinung, dass diese Unvermittelbarkeit des Seins nur durch einen speziellen Sprachgebrauch überwunden werden könnte, welcher durch das Subjekt-Objekt-Schema des menschlichen Denkens noch nicht fatal entleert worden ist. Die Wörter sind ebenso leer geworden, wie die Dinge. Die entleerten Wörter vermögen nicht mehr ihre Aufgabe zu erfüllen. Sie sind zu steif und unproduktiv geworden um das Sein in seiner Vielfalt zeigen und das Unsägliche des Seins sagen zu können. Mit den Ausdrücken der ontisch-ontologischen Differenz formuliert: das Sein ist “der allgemeinste und leerste Begriff“ geworden. Das Sein ist weit von uns gerückt, während es im Seienden das uns Nächste ist. Was uns ontisch am nächsten ist, ist ontologisch am fernsten. Das Sein ist für uns durch die Phänomene der Alltäglichkeit so ’bekannt’ geworden, dass dadurch das Dasein als eine Art Selbstverständlichkeit erscheint. Das Dasein versteht sich selbst, aber dieses Selbstverständnis nicht mehr berücksichtigt. Der Mensch lebt in einem unüberlegten Selbstverständnis. Da die Sprache diese unüberlegte Alltäglichkeit abbildet, vermag sie das Sein – den Sinn des Seins – nicht zu erfassen. Der Sinn des Lebens sollte deshalb durch ein anderes Mittel aufgedeckt werden, welches noch frei von dem Selbstverständnis ist, innerhalb dessen die unüberbrückbare Gegenüberstellung des erkennenden Subjekts und des erkannten Objekts herrscht. Die Sprache der Lyrik ist freier von den denkstrukturellen und grammatischen Hemmnissen, welche Freiheit sich die ’Wissenschaft’ aber nicht leisten kann.

Ich werde demnach in meinem Aufsatz die zehn Duineser Elegien analysieren und die folgenden Themenkreise behandeln:

  1. Sprache - das Haus des Seins’ In welchem Maß ist die herkömmliche Deutung des menschlichen Daseins durch den objektivierenden Sprachgebrauch determiniert und verfehlt

  2. Die dichterische/lyrische Daseinsdeutung als mögliche ’Alternative’ zu der Philosophie.

Die wichtigsten Züge der Daseinsdeutung in den lyrischen Sprache der Duineser Elegien.

  1. Der Sinn des Lebens – Verwindung der Differenzierung durch das Dichten


  1. Sprache - das Haus des Seins


1.1. Der Mensch, das sprachbegabte Wesen


Wenn man den Elegien-Zyklus näher betrachtet, und das von Rilke entworfene Menschenbild untersucht, muss man ganz gezielt suchen, um etwas Positives über den homo sapiens finden zu können. Die Aussagen über den Menschen sind ja niederschmetternd. In den ersten fünf Stücken des Zyklus werden verschiedene Aspekte des menschlichen Daseins beschrieben. Diese Aspekte – welche im 2. Teil noch eingehend analysiert werden - sind die folgenden: a) das sog. Gegenübersein statt des In-Seins; b) die als Tragödie aufgefasste Vergänglichkeit; c) die ununterbrochene Vergegenständlichung der Welt; d); die zum leeren Mechanismus versteifte Alltäglichkeit. Ist der Mensch der Verlierer der Schöpfung? Die hier angeführten Aspekte zeigen uns, dass wir uns in unserer Welt nicht besonders zu Hause fühlen. Der Mensch ist ein un-heimliches Wesen, während die Tiere die Welt als Zu-Hause erleben: sind heimisch in der Welt.

Wodurch ist der Mensch ein Mensch? Wodurch könnte der Mensch in dieser Welt heimisch werden? Was zeichnet ihn aus. Die Antwort der Elegien wäre vielleicht: die Sprache und die Fähigkeit, den Dingen Namen geben zu können.

Martin Heidegger hat darauf hingewiesen, dass die wissenschaftliche Bezeichnung ‚homo sapiens’(vernunftbegabtes Lebewesen) schon das Ergebnis des Weiterdenkens des altgriechischen Ausdrucks ’ζώον λόγον ̉έχον’ ist. In diesem Ausdruck bedeutete das Lógos ursprünglich Rede oder Gespräch. Heidegger übersetzt den Ausdruck folgendermaßen: “ein Seiendes, das seine Welt in der Weise des Angesprochenen hat.6 Die Definition zeigt also, dass die uns umgebende Welt durch uns, genauer durch unsere Benennungstätigkeit ihre Seinsweise erhält. “Als der Sprechende ist der Mensch: Mensch“7 Dieser kurze Satz klingt wie ein Urteil und er richtet die Aufmerksamkeit auf eine bedeutende Tatsache. Die Sprache ist im Zusammenhang mit dem Menschen keine bloße Eigenschaft, die den Menschen von den Tieren, Pflanzen und von den anderen Lebewesen unterscheidet. Diese Fähigkeit besitzt also im Heideggerschen als im Rilkeschen Sinn einen ontologischen Charakter. Der ontologische Status der Sprache wird in dem Brief über den Humanismus wie folgt beschrieben:

Die Sprache ist das Haus des Seins. In ihrer Behausung wohnt der Mensch. Die Denkenden und Dichtenden sind die Wächter dieser Behausung. Ihr Wachen ist das Vollbringen der Offenbarkeit des Seins, insofern sie diese durch ihr Sagen zur Sprache bringen und in der Sprache aufbewahren“.8

Wir sollten es genauer bedenken, was dieses Zitat aussagt. Die Sprache ist die Gabe, die den Menschen eine einzigartige Chance sichert, die Welt nach eigenen Ideen und Phantasie zu gestalten, und sie auch zu deuten. Damit die Deutung des In-der-Welt-Seins nicht scheitert, muss jemand über den Weltdeutungsprozess wachen. Diejenigen, die diese Aufgabe erfüllen können, sind die Denker und die Dichter. Heidegger sagt auch ganz konkret, was sie tun können. Sie müssen die Offenbarkeit des Seins durch das Sagen der Dinge verwirklichen, indem die Dinge in der Sprache – wo das Sein zu Hause ist – aufbewahrt werden. Und das Gleiche mit den Worten der neunten Elegie:

Preise dem Engel die Welt, nicht die unsägliche, ihm
kannst du nicht großtun mit herrlich Erfühltem; (…).

Drum zeig
ihm das Einfache,(…)

Sag ihm die Dinge.(…)

Zeig ihm, wie glücklich ein Ding sein kann, wie schuldlos und unser, wie selbst das klagende Leid rein zur Gestalt sich entschließt,
dient als ein Ding, oder stirbt in ein Ding -, und jenseits
selig der Geige entgeht. - Und diese, von Hingang
lebenden Dinge verstehn, daß du sie rühmst; vergänglich,
traun sie ein Rettendes uns, den Vergänglichsten, zu.
Wollen, wir sollen sie ganz im unsichtbarn Herzen verwandeln
in - o unendlich - in uns! Wer wir am Ende auch seien.
(IX/53-67.)

Die Dichter sollen über die Dinge wachen. Das heißt: die Dinge des menschlichen Lebens durch die dichterische Sprache [durch die Lyrik] “im unsichtbaren Herzen verwandeln“(V.66.), dass heißt: aufbewahren. Es stellt sich natürlich die Frage: warum sollte eben die dichterische Sprache diese existenzielle Herausforderung bestehen? Warum hat es die wissenschaftliche oder die philosophische Sprache nicht getan?

Die Antworten liefern einerseits die ersten fünf Elegien, andererseits die Heideggersche Quasi-Sprachphilosophie. Obwohl die letztere Formulierung mit dem Beiwort ’quasi’ eine Übertreibung zu sein scheint, ist sie meiner Meinung nach trotzdem nicht verfehlt. In der Einleitung habe ich schon auf Heideggers denkerischen Kampf verwiesen, durch welchen er die Seinsfrage zu beantworten versuchte. Von der einfachen Frage ist er zur Erkenntnis gelangt, dass das Sein als Solches unvermittelbar ist. Man könne nämlich über das Sein (in Rilkes Formulierung: über das Offene, das Ganze, den reinen Bezug) mit den alltäglichen Mitteln des Sprachgebrauchs nichts Gültiges aussagen. Diese Unvermittelbarkeit des Seins sollte besonders stark durch die spielerische Orthographie dargestellt werden:

Sein


2. Die lyrische Daseinsdeutung


Sein

2.1. Sein, →Gedicht

Die Behauptung über die Unsagbarkeit und der Unaussprechlichkeit des Seins hat weitreichende Konsequenzen sowohl für die Philosophie als auch für die Lyrik. Sie bedeutet für die erste eine Grenze, für die zweite eine Möglichkeit. Im Hintergrund verbirgt sich die spezielle – von allen Standards der Sprachphilosophien abweichende - Sprachauffassung von Martin Heidegger. Er vertritt die Meinung, dass in der heutigen Sprachphilosophie die Technifizierung aller Sprachen zu beobachten sei. Die Sprache wird ihrer existenziellen Bedeutung beraubt und zum bloßen Instrument der Informationsübertagung unterminiert. Die langsame Zerstörung der Sprachen zeigt sich bereits darin, dass die Sprachphilosophie zur bloßen Metalinguistik wurde, die eine Metasprache verwendet. Statt in das Wesen der Sprache hereinzudringen, bleibt nur ein Schweben über der Sprache. Über die Sprache kann nur dann etwas Gültiges ausgesagt werden, wenn die Sprache erfahren wird.9 Wenn man den grundlegenden Unterschied zwischen der geläufigen und der Heideggerschen Sprachauffassung benennen möchte, muss es auch auf die Problematik der Referenz hingewiesen werden. Bei ihm erscheint die Differenzierung a lá Frege zwischen Sinn und Bedeutung, oder anders formuliert, zwischen Signifikant und Signifikat auf einer anderen Ebene. Die Dualität der Sprache erhält bei Heidegger innerhalb des Subjekt-Objekt Schemas eine wichtige Rolle. Da sich der Mensch immer der Welt gegenüber definiert, befindet er sich in der Relation des Differenzierens10. Er kann die Sprache nicht erfahren, weil er sie instrumentalisiert, vergegenständlicht. Wenn wir bedenken, dass der Mensch durch die Sprache seinen Seinscharakter erhält, wird diese Instrumentalisierung fatale Folgen für sein Selbstverständnis haben. Wenn die Welt für den Menschen in der Sprache existiert, und die Sprache eine endlose Differenzierung ist, wird unsere Welt in der Form der Differenz existieren. Der Mensch wird sich als sprechendes Subjekt betrachten, während die Welt als bloßes Objekt (als Gegenstand) ihm gegenübergestellt wird. Das Gegenüberstehen wird dadurch zum Schicksal des Menschen:

Dieses heißt Schicksal: gegenüber sein

Und nichts als das und immer gegenüber“ (VIII/33-34.)

Die achte Duineser Elegie – als Ausnahme unter den fünf Elegien des zweiten Teiles des Zyklus – liefert weitere Ergänzungen zu der Beschreibung der menschlichen Existenz. Die menschliche Denkweise ist durch die Transitivität, durch das Vorherrschen des Differenzierens zwischen Subjekt und Objekt gekennzeichnet. Der Mensch steht immer gegenüber der Welt, nie ist er drinnen, weil er sich durch seine Deutungsversuche in einem ständigen Prozess des Differenzierens befindet.

Heidegger ist der Meinung, wenn die Referenzfunktion der Sprache als bloße Differenzierung zwischen Sprecher und Besprochenem, Mensch und Welt aufgefasst wird, wird das Ausgesagte zur leeren Information.11 Es zu verhindern, sollte die Differenz als Einheit betrachtet werden, wobei das Subjekt-Objekt-Schema nicht mehr auf zwei gegenüberstehende Pole zerfällt. Wenn es nicht passiert, wird der Mensch in seiner gedeuteten Welt auch weiterhin nicht zu Hause sein.

“und die findigen Tiere merken es schon,

dass wir nicht sehr verlässlich zu Haus sind

in der gedeuteten Welt.“ (I/11-13.)

Es stellt sich die Frage: Wie kann diese Einheit der Differenz von Subjekt und Objekt erreicht werden?

Heidegger nennt diese Einheit der Differenz: die Sage12. Der Unterschied zwischen Sprache und Sage finden wir wiederum in der Vergegenständlichung und in der objektivierenden Deutung. Im Gegensatz zum objektivierenden Sprachgebrauch wird die Sage mit dem Ereignis gleichgesetzt. Ereignis bedeutet für Heidegger die Prozessualität des Seins. Was prozessual ist, ist noch nicht abgeschlossen; es bedeutet Differenzlosigkeit eine Art Offenheit der Möglichkeiten.13

Eine Möglichkeit, die Sprache als eine Einheit von Subjekt und Objekt, als eine Differenzlosigkeit zu realisieren ist die dichterische Sprache. Durch die Lyrik kann das Sein erfasst werden, ohne auf die zu überwindende Differenzierung von Sein und Dasein zurückzufallen14. Das Potenzial des Dichtens ist die Deckung von Worten und Dingen zu erreichen, und das Sein in der Welt den Menschen aufzuzeigen.

Deshalb ist die Aufgabe der Dichter so groß. Sie müssen sozusagen eine künstlerisch-ontologische Mission erfüllen. Durch ihr Sagen werden die Gegenstände der äußeren Welt in den Weltinnenraum des Seins aufgehoben und dadurch in die Sphäre der reinen Bezüge des Ganzen gestellt.


2.2. Ontologische Folgen der Autoreferentialität

Bislang sind wir dem besonderen Stellenwert der Lyrik aus sprachphilosophischer Sicht nachgegangen. Wir haben dabei festgestellt, dass die Referentialität der Sprache durch die Lyrik anders ausgelegt werden kann, als in der Standard-Sprachtheorie, wo der Akzent auf der Differenz der sprachlichen Zeichen und der außersprachlichen Realität liegt. Im Sinne von Heidegger haben wir aber die lebenswichtige Verwirklichung der Einheit dieser Differenz (die Einheit von Wort und Ding) betont. Es ist eine allgemeine Auffassung, dass die Aufhebung der Differenz zwischen Wort und Ding unausweichlich zu einem ’mythischen’ Sprachgebrauch führt. Das Wort ’mythisch’ meint hier die Art und Weise des Sprachgebrauchs, wobei sich die sprachlichen Zeichen nicht auf außersprachliche Gegenstände referieren, sondern es besteht eine sog. Autoreferenzialität, welche die gesuchte Entsprechung zwischen Wort und Ding darstellt.

Die Dinge können nur durch diese Art und Weise als Dinge an sich erfasst werden. Der konstante Differenzierungsprozess des Denkens wird als Grund für die ontisch-ontologische Differenzierung betrachtet. Martin Heidegger hat versucht ein Leben lang die objektbezogene Denkweise zu überwinden und eine reine Fundamentalontologie zu schaffen, die von der Differenzierung von Sein und Dasein vollkommen befreit ist. Wir wissen aber schon, dass diese Überwindung (später von Heidegger wurde das Wort: Verwindung vorgezogen) er nicht ganz vollbringen konnte. Selbst Heidegger musste Umwege suchen, die Seinsfrage beantworten zu können. Die autoreferenzielle Sprache artikuliert sich ganz anders als die philosophische Sprache. Die Philosophie braucht Hilfe, und damit auch eine Alternative. Es muss ja eine Sprache her, der die Überwindung der Objektbezogenheit, dass heißt die Freiheit der Bezügen innewohnt. Die bisherigen Deutungsversuche sollen nicht einfach überwunden werden, sondern verwunden werden. Die Beantwortung der Seinsfrage bedeutet nämlich das Hinwegkommen über die Schmerzen, die sich der Mensch selbst zugefügt hat.


Rainer Maria Rilke erfüllt die Aufgabe der Verwindung in den zehn Duineser Elegien. Wenn wir den Zyklus nach dem referenziellen Charakter seiner Sprache untersuchen, können wir eine Bewegung von der stark differenzierenden, objektbezogenen Sprache bis zur mythischen und autoreferenziellen Sprache feststellen.


2.2.3. Mensch – Welt; Wort - Ding: die absolute Differenz

Im folgenden wird die Daseinsdeutung der Elegien zuerst aufgrund dessen untersucht, inwieweit ihre Sprache der oben angeführten Aufgabe – Verwindung der Objektbezogenheit - gerecht wird. Es muss gezeigt werden, wie Rilke das objektbezogene menschliche Dasein sprachlich darstellt und die mögliche Befreiung aus der Welt der Gegenstände vorzeigt.

Die in der ersten Hälfte des Zyklus aufgegriffenen Bereiche liefern eine Art Diagnose über das menschliche Leben. Die zweite Hälfte des Zyklus könnte – um bei dem Gleichnis zu bleiben – die Arznei darbieten.

Was die hier angeführten Existenzbereiche miteinander verbindet, ist die objektbezogene Deutung der Umwelt, und die ständige Differenzierung zwischen Mensch und Welt. Da diese Denkattitüde als der eigentliche Grund für die Misere des Menschen gilt, muss auch sie näher untersucht werden.

-Aber Lebendige machen alle den Fehler dass sie zu stark unterscheiden.“, heißt es in den Versen 80-81 der ersten Elegie. Unterscheiden bedeutet: den Unterschied zu erkennen, indem man die trennenden Merkmale zwischen Dingen hervorhebt. Die Unterscheidung vollzieht sich auf sämtlichen Ebenen des Da-Seins. Die Grundstruktur des Denkens ist die Differenzierung, welche sich auf dem Subjekt-Objekt-Schema gründet. Der Mensch als denkendes Lebewesen (Subjekt) stellt sich dem Objekt gegenüber. Das zu erkennende Objekt befindet sich in einer Form des Gegen-Stehens. Das Gegen-Stand-Sein wird deshalb als fundamentale Eigenschaft des Objekts betrachtet, und als konstantes Bestandteil des Erkenntnisprozesses behandelt. Die Welt wird deshalb mit allen seinen Erscheinungen in dieses Subjekt-Objekt–Schema hineingepresst; die Erklärung der Erscheinungen wird von der jeweiligen im Schema gespielten Rolle abhängig gemacht. Das Subjekt-Objekt-Schema wird zum ausschließlichen Deutungsfeld erklärt, was zur Folge hat, dass, was nicht in das obige Schema passt, notwendig als schrecklich, gefährlich abgestempelt wird.

Der Mensch und die Welt erscheinen demnach als zwei unterschiedliche Sachen, welche Gesetzen untergeordnet sind, die sich nur dann als positiv erweisen, wenn sie vom Menschen nachvollziehbar sind. Die ersten fünf Elegien weisen aber darauf hin, dass in das herkömmliche Denkschema vieles nur schwerlich hineinpasst. Die Deutungsversuche sind unbedingt zum Scheitern verurteilt, wenn man den Engel, das Sterben, die Liebe oder einfach nur die Dinge als solche in diesem Schema zu erklären versucht. Sie lassen sich nämlich nicht als begrenzte Gegenstände behandeln, sie entziehen sich den vergegenständlichenden Deutungsversuchen.

Bisher haben wir die Differenz als ein Spezifikum des Erkenntnisprozesses gedeutet. Sie hat aber auch eine ontologische Komponente. In dem ontologischen Sinn ist sie keine Relation oder Distinktion. Das Seiende wird nämlich in einer Differenz zum Sein vorgestellt. Diese Differenz ist aber keine Grenze, sondern ein Überkommnis15 . Heidegger versucht mit diesem Begriff die starke Zusammengehörigkeit bildhaft darstellen. Die Differenz wird dadurch als Voraussetzung der Identität aufgefasst. Das Sein und das Seiende sind zwei gegenüberstehende Entitäten. Sie gehören zusammen. Das Sein west in der Weise des Überganges zum Sein. Die Einheit der Beiden ist eben in ihren Zusammengehören zu suchen.


Das Engel-Ding

Die waltende Differenzierung als schicksalhafte Wesensart, und die daraus resultierenden Folgen für den Menschen werden im Motiv des Engels besonders stark hervorgehoben.

In einer Welt, die auf die menschliche Ratio aufgebaut ist, erhalten die Dinge ihre Seinsberechtigung dadurch, dass sie vom Verstand begriffen und erklärt werden können. Alles, demgegenüber sich der Verstand machtlos erweist, wird in Frage gestellt, und zum Schrecklichen oder Illegitimen erklärt.

Ich vertrete die Meinung, dass eine theologische Interpretation des Engels in der Textur der Elegien fehl am Platz sei. Deshalb benutze ich die Formulierung: Engel-Ding, womit auf die vollkommene Abstraktheit des Begriffs hingewiesen werden soll. Der Engel steht für den personifizierten Oberbegriff der Dinge an sich, die nie mit einem Gegenstand verwechselt werden dürfen.

Was erfahren wir über den Engel?

“Wer wenn ich schriee, hörte mich denn aus der Engel

Ordnungen? Und gesetzt selbst, es nähme

einer mich plötzlich ans Herz: ich verginge von seinem

stärkeren Dasein. Denn das Schöne ist nichts

als des Schrecklichen Anfang, den wir noch gerade ertragen,

und wir bewundern es so weil es gelassen verschmäht,

uns zu zerstören. Ein jeder Engel ist schrecklich.(I/1-7.)

Die ersten sieben Verse des Zyklus liefern eine Art Problemstellung, sie fassen das ’menschliche Problem’ zusammen. Der Mensch hat sich selbst eine Welt geschaffen, in der er sich ziemlich unwohl fühlt. Woran liegt dieses permanente Unbehagen?

Das Dasein des Menschen ist nicht so stark wie das der Engel. Das stärkere Dasein ist sogar gefährlich für den Menschen: “ich verginge von seinem stärkeren Dasein“(Verse 3-4.)16 Alles was nicht zum Gegenstand der rational operierenden Vernunft gemacht werden kann, wird als Feind betrachtet. Als Feind, weil er nicht den, von den Menschen festgelegten Regeln folgt. Was sich nicht zum Gegenstand machen lässt, und sich selbstständig macht, passt nicht mehr in das rationale Deutungsschema des Menschen. Deshalb lautet der siebente Vers: “Ein jeder Engel ist schrecklich“ In 4-5. Versen lesen wir: “Denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang“. Die Dinge dürfen nicht mit den Gegenständen gleichgesetzt werden, das richtige Verhältnis zu ihnen ist auch andersartig als zu den Gegenständen. Was auf den ersten oberflächlichen Blick eindeutig erscheint, kann ungeahnt tiefe Inhalte verbergen. Ein Ding ist unvergleichlich mehr als ein Gegenstand. Man braucht aber Demut, die Dinge als Ganzes akzeptieren zu können. Das Akzeptieren der Beschaffenheit des Seinsganzen wäre der erste Schritt auf dem Ausweg aus dem Subjekt-Objekt-Schema.

Die Versuche unsere Welt nach unseren unflexiblen Maßstäben zu deuten, werden zwangsläufig scheitern müssen, weil wir die Welt als Wille und Vorstellung besitzen wollen. Durch die Vor-Stellung (in dem Subjekt-Objekt-Schema) stellt sich der Mensch vor die Welt. Die Welt erhält ihre Existenz dadurch als eine Art vor-gestellter Gegenstand. Die Welt steht vor dem Menschen, und umgekehrt: der Mensch stellt sich der Welt gegenüber. Die Differenzierung ist also unser Schicksal. Unsere Wörter referieren auf Gegenstände; es hat sogar den Anschein, dass die Welt ihr Wesen in dieser Referenzialität hat. Deshalb erscheinen die Dinge schrecklich, wenn ihr Wesen in dem bisher gängigen referenziellen Schema nicht gedeutet werden kann.

Die zweite Elegie beginnt mit den folgenden Versen:

Jeder Engel ist schrecklich. Und dennoch, weh mir,

ansing ich euch, fast tödliche Vögel der Seele,

wissend um euch.“(II/1-3.)

Die Schrecklichkeit des Engel-Dings wird noch einmal wiederholt. Trotz dessen, dass der Mensch einen Engel nicht deuten kann, weil ihm gegenüber die vergegenständlichende Attitüde falsch und hoffnungslos ist, versucht das Subjekt ihn als Objekt zu behandeln. Er wird vom Subjekt angesungen, wobei das transitive Verb wieder die Einseitigkeit des Deutungsprozesses veranschaulicht. Die Transitivität des Sprachgebrauchs spiegelt das Wesen des herkömmlichen Deutungsschemas wieder. In der ersten Elegie versuchte das Subjekt den Engel an zu locken, aber es musste eingesehen werden, dass das Subjekt vom Engel auch dann nicht angehört wird, wenn es ihn vielleicht anschreien würde. Das Anschreien ist ebenso transitiv, wie das Anlocken oder das Ansingen. Das stärkere Dasein (I./4) der Dinge (des Engels) involviert einen Seinsmodus, welcher die ’Seinsform’ der Gegenstände übersteigt. Im Ausdruck “wissend um euch“ bedeutet das Verb ‚wissen’ kein komplettes Wissen. Es ist in dem durch die transitive Haltung gekennzeichnete Subjekt-Objekt-Schema höchstens ein Vorwissen möglich. Unser Wissen ist brüchig, wir sehen nur die Oberfläche der Dinge, dass heißt: nur die Gegenstände. “Nur unsere Augen sind wie umgekehrt und ganz um sie gestellt als Fallen, rings um ihren freien Ausgang“ (Achte Elegie Verse 2-4). Die Art und Weise, wie sich der Mensch seiner Welt annähert ist verkehrt. Diese Annäherungsweise ist im Modus der transitiven Beobachtung verankert.

Diese transitive Haltung zeigt sich besonders stark im Zusammenhang mit der Liebe und des Todes.


Der Tod

Die Daseinsdeutung wird also durch eine vergegenständlichende Attitüde des menschlichen Denkens gekennzeichnet. Der Mensch setzt der Welt Grenzen, aber damit auch seinen eigenen Möglichkeiten. Alles, was dem menschlichen Willen nicht gehorcht, wird als Grenze und Schranke erlebt. Deshalb erscheint der Engel auch als eine schreckliche Grenze, die nie übertreten werden darf. Aber als absolute Grenze wird natürlich das unausweichliche Sterben gesetzt. Der Tod ist und bleibt das fundamentale Ding schlechthin, wovon man nichts weiß.

Wir wissen nichts von diesem Hingehen, das

nicht mit uns teilt. Wir haben keinen Grund,

Bewunderung und Liebe oder Hass

dem Tod zu zeigen,(...)

Todeserfahrung (Verse 1-4)

Was biologisch eine Tatsache ist, ist philosophisch ein Skandal. Der Mensch hätte ja keinen Grund etwas Unbekanntes zu hassen oder zu lieben, trotzdem tut er das.

Die ganze zweite Elegie ist diesem fundamentalontologischen Skandal gewidmet. Der Differenzierungsprozess ist in keinem anderen Zusammenhang so stark und eindeutig, wie im Falle des Sterbens.

Das Verschwinden des Menschen wird als Notwendigkeit behandelt. Alles was an die Zeit gebunden ist, verschwindet hoffnungslos. Die Zeit, die der Mensch für sein Dasein bekommen hat ist knapp.

“Denn wir, wo wir fühlen, verflüchtigen; ach wir

atmen uns aus und dahin;“ (II/18-19.)

Der Mensch hat kaum Zeit seine Aufgaben zu vollbringen. Es muss akzeptiert werden, dass der Mensch nur eins von den Lebewesen ist. Niemand kann die Fragen beantworten:

Und jene, die schön sind,

o wer hält sie zurück?

(...)O Lächeln, wohin?“ (II/23-27.)

Wenn das Sein eine Zeitspanne zwischen zwei Grenzwerten ist, was vermag der Mensch in dieser Welt vollzubringen? Das Subjekt stellt verzweifelt die Frage:

Schmeckt denn der Weltraum,

in den wir uns lösen, nach uns?“ (II/29-30.)

Was lassen wir hinter uns nach der begrenzten Lebenszeit? Die Antwort kennen nur diejenigen, die bereits das irdische Dasein verlassen haben, und die das Ganze des Seins erblickt haben, für die keine Grenzen mehr existieren. Das irdische Dasein wird oft als bloßes Schauspiel dargestellt, wobei der Mensch, um sich behaupten zu können, ständig nur Rollen spielt, weil er gefallen möchte. Ein weiteres Zitat aus dem Gedicht “Todeserfahrung“ (Verse 7-8)

Noch ist die Welt voll Rollen, die wir spielen.

Solang wir sorgen, ob wir auch gefielen,

spielt auch der Tod, obwohl er nicht gefällt.

Das Dasein als Schauspiel auf der Bühne soll das Gekünstelte des menschlichen Verhaltens veranschaulichen. Der Mensch sucht immer wieder den Beifall, statt das Leben zu vollziehen.

Die Menschen als selbstsüchtige, vergängliche Wesen sind verzweifelt und bedeutungslos, sie “ziehen allem vorbei wie ein luftiger Austausch“ (II/ 41). Die negative Beurteilung des Menschen erreicht ihren Höhepunkt, als er die Schande der Schöpfung genannt wird, die von der Welt am besten verheimlicht und verschwiegen bleiben sollte.

Denn es scheint, dass uns alles verheimlicht“ (II/39)

“Und alles ist einig, uns zu verschweigen, halb als

Schande vielleicht und halb als unsägliche Hoffnung“ (II/42-43.)

Warum ist der Mensch eine Schande? Diese Frage können wir nur anhand der Achten Elegie beantworten. Der Mensch, obwohl er Vernunft besitzt und die Welt ständig nach seinen Regeln deutet, bleibt nur Zuschauer. Die Welt erweist sich als zu vielfältig um durch unsere Vernunft geordnet werden zu können. Es wäre eine Aufgabe für den Menschen, sich in der Welt zu Hause zu fühlen. Die Aufgabe ist bisher wegen der unaufhörenden Differenzierung unerfüllt geblieben. Es besteht aber noch die Hoffnung, dass es eine Veränderung zustande kommen könnte. Im Vers 43 lesen wir: der Mensch sei vielleicht auch eine unsägliche Hoffnung. Er hätte die Möglichkeit sich in der Welt als Mensch zu behaupten, wenn er seine Aufgabe verstehen würde. Es wird sich herausstellen, dass diese Aufgabe ausschließlich von dem Menschen bewältigt werden kann. In der ersten Elegie steht aber noch die vorwurfsvolle Frage:

Das alles war Auftrag.

Aber bewältigtest du es?“ (I/30-31.)

Der Auftrag ist in der ersten Elegie das Sich-zu-Behaupten des Menschen in der Welt. Es muss gezeigt werden, dass der Mensch nicht ein bloßer Zufall der Schöpfung ist: es gibt einen Ort in der Welt, der dem Menschen gehört, wo er zu Hause sein kann. Man muss aber diesen Ort finden und ihn als eigenen anerkennen. Im Zusammenhang mit dem Daseins-Ort des Menschen möchte ich auf die Heideggersche Seinstopologie17 hinweisen. Heidegger hat mit dem durchgekreuzten Sein die Unsagbarkeit des Seins spielerisch-poetisch gezeigt. Diese Geste weist aber über sich hinaus. “Das Zeichen der Durchkreuzung kann (...) kein bloßes negatives Zeichen der Durchstreichung sein. Es zeigt vielmehr die vier Gegenden des Gevierts und deren Versammlung im Ort der Durchkreuzung18 Wenn man der Instruktion von Heidegger folgt, bekommt man folgende seinsgeographische Karte:

Himmel









Die Göttlichen SEIN die Sterblichen







Erde

 

Das “Geviert“ – wie Heidegger die Seinskarte nennt – stellt das Seinsganze auf eine nicht wissenschaftliche Weise dar. Es ist aber auch eine Darstellungsmethode, die sich von dem differenzierenden Subjekt-Objekt-Schema befreien konnte.

Um feststellen zu können, wo der Mensch im Sein zu Hause ist, werden wir uns auf das Heideggersche ’Geviert’ stützen. Dieser Begriff betont die Zusammengehörigkeit der vier Sphären des Gevierts. Die vier Dimensionen beziehen sich unendlich, zeitlos und differenzlos aufeinander. Hier gibt es keine Wertunterschiede mehr. Um in der Welt zu Hause zu sein, muss man alle vier Dimensionen zu verinnerlichen. Bevor wir zu den Elegien zurückkehren, sollten wir eine lyrische Formulierung Heideggers über die nötige Einheit des Seins und Daseins aus der kurzen Erzählung “Der Feldweg“ zitieren: “Wachsen heißt: der Weite des Himmels sich öffnen und zugleich in das Dunkel der Erde wurzeln; dass alles Gediegene nur gedeiht, wenn der Mensch gleich recht beides ist: bereit dem Anspruch des höchsten Himmels und aufgehoben im Schutz der tragenden Erde“.19

Unser Leben als Teil eines Ganzen zu betrachten ist also eine Aufgabe, der wir gerecht werden müssen. Wenn es so geschehen würde, würden wir ein Zuhause finden:

Fänden auch wir ein reines, verhaltenes, schmales

Menschliches, einen unseren Streifen Fruchtlands

zwischen Strom und Gestein.“ (II/74-76.)

Rilke nennt den Ort, wo man sich heimisch fühlen könnte: einen reinen Streifen Fruchtlands. Dieses Land ist fruchtbringend, weil hier keine Differenzierung vorherrscht. Die Dimensionen des Lebens werden als Einheit akzeptiert. Der Tod gehört auch zu diesem Fruchtland. In dem Roman “Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“ liest man Folgendes: “Früher wusste man (oder vielleicht man ahnte es), dass man den Tod in sich hatte wie Frucht den Kern. Die Kinder hatten einen kleinen in sich und die erwachsenen einen großen. Die Frauen hatten ihn im Schoß und die Männer in der Brust. Den hatte man, und das gab einem eine eigentümliche Würde und einen stillen Stolz.20( S.12. Z.12-17) Rilke beschreibt den richtigen Bezug zum Tod in einem Gleichnis, indem er das Frucht-Motiv verwendet. Das Leben und der Tod sind ebenso wesensgleich, wie die Frucht und ihr Kern. Dieses Verhältnis ist gegenseitig, beide Seiten setzen die andere voraus. Ohne Kern gibt es keine Frucht. Ohne den Tod gäbe es kein Leben. Die zwei Seiten bilden zusammen das einheitliche Ganze.

Der Mensch lässt aber die Dinge –wie auch den Tod – nicht an sich gelten, sondern er versucht sie in sein Deutungsschema zu pressen, wo von ihm über das Wesen der Dinge entschieden wird. Er ist noch nicht bereit dem Anspruch des höchsten Himmels zu folgen und aufgehoben im Schutz der tragenden Erde zu verweilen. Es wird den Dingen nicht erlaubt, ihr wahres Wesen zu zeigen. Der Tod an sich kann auch nicht besser erkannt werden, weil er nach der herkömmlichen Deutungstradition als Ende des menschlichen Daseins gesetzt ist, und von dem Menschen anprangert wird. Der Tod wird deshalb nie als Teil eines größeren Ganzen betrachtet.

Diese Attitüde muss aber verändert werden. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass die bisherige Denkweise falsch war. Wenn die Menschen dazu noch nicht bereit sind, muss jemand diese Aufgabe auf sich nehmen, und eine neue Annäherungsweise suchen. Diejenigen, die dank ihres sprachlichen, künstlerischen Instrumentariums eine Wende in dieser Frage vollziehen können, sind die Dichter. Im dritten Teil meines Aufsatzes werde ich mich damit befassen, inwieweit die Dichter durch die Lyrik eine neue Seh- und Denkweise vermitteln können, und was für Möglichkeiten sie haben. Die Dichtkunst muss eine Wende durchführen.

Das reine Dauern“ (II/58) bildet eine Antithese zu der absoluten Vergänglichkeit. Am reinen Dauern hat aber der Mensch nur in wenigen, ausgewählten Momenten teil. Diese seltenen Momente findet man im Zusammensein der Liebenden. Wenn aber sich die Liebenden zu stark aneinander festhalten, wird dadurch die Welt wieder zu sehr auf ein Objekt eingeengt. So sind wir wieder bei der Vergegenständlichung angelangt. Das zeitlose Gefühl der Liebe verliert durch die Objektivierung das reine Dauern.

So versprecht ihr euch Ewigkeit fast

von der Umarmung. Und doch, wenn ihr der ersten

Blicke Schrecken besteht und die Sehnsucht am Fenster,

und den ersten gemeinsamen Gang, ein Mal durch den Garten:

Liebende, seid ihrs dann noch?“ (II/59-63.)


Die objektlose Liebe-an-sich und die auf ein Objekt gerichtete Liebe wird in der Dritten Elegie behandelt.


Die Liebe

Bevor wir wieder zu der dritten Elegie zurückkehren, möchte ich wieder auf die “Aufzeichnungen“ hinweisen. Dieser durch und durch lyrische Quasi-Roman beinhaltet die vielleicht gültigsten Gedanken Rilkes über die Liebe und das Lieben. Die dritte Elegie behandelt dieses Thema, und die folgenden Zitate aus den “Aufzeichnungen“ dürften bei der Interpretation der Elegie einleuchtend sein. Die transitive Grundattitüde des menschlichen Lebens findet ihren Ausdruck auch in der Liebe. Von der transitiven (objektbezogenen) Liebe unterscheidet Rilke die intransitive Liebe-an-sich. Die Liebe darf auf kein Objekt gerichtet sein. Das Auf-etwas-gerichtet-sein ist falsch, weil darin wieder das Subjekt-Objekt-Schema Oberhand gewinnt. In diesem Schema können nicht die reinen Bezüge vorherrschen, weil hier sich die vier Dimensionen des Seins nicht ineinander spiegeln, sondern voneinander getrennt werden. Himmel und Erde sind unendlich weit voneinander entfernt, für Liebe erwartet man Gegenliebe, dadurch erscheint die geliebte Person als der Gegenstand der Liebe.

In den “Aufzeichnungen“ finden wir die folgenden Formulierungen: “Ich weiß sie sehnte sich, ihrer Liebe alles Transitive zu nehmen, aber konnte ihr wahrhaftiges Herz sich darüber täuschen, dass Gott nur eine Richtung der Liebe ist, kein Liebesgegenstand? Wusste sie nicht, dass keine Gegenliebe von ihm zu fürchten war?“ (S.205. Z.7-11); “Geliebtsein heißt aufbrennen. Lieben ist: Leuchten mit unerschöpflichem Öle. Geliebtwerden ist vergehen, Lieben ist dauern“ (S.205-206. Z. 31-2). Lieben ist in diesem Sinne das Dauern in den freien Bezügen. Was Rilke in der ersten (Vers 77.) und in der neunten Elegie (Vers 23.)Bezug nennt, entspricht dem Offenen, welches in der achten Elegie ausführlich behandelt wird. Der Raum der freien Bezüge versammelt in sich alle vier Dimensionen des Seins. Die Erde und der Himmel, die Sterblichen und die Göttlichen unterscheiden sich nicht voneinander. Es ist die vollkommene Abwesenheit der Differenzen. Die Liebenden spiegeln sich ineinander wider, sie unterscheiden sich voneinander nicht. In solchen Momenten ist der Sterbliche dem Göttlichen gleich:

Spiegel: die die entströmte eigene Schönheit

wiederschöpfen zurück in das eigene Antlitz“(II/16-17.)


Die dritte Elegie vertieft die in der zweiten Elegie aufgeworfene Thematik aus einem anderen Aspekt. Hier wird die gestaltlose, reine Liebe dem objektbezogenen Trieb gegenübergestellt. Die erste Form findet man bei der Frau, die zweite beim Mann. Der Mann sucht den zeitigen Genuss, die Frau das unabänderliche Lieben. Der Mann sucht immer neueren, stärkeren Genuss, weil er denkt, dass das Leben darin besteht, dass man nicht auf eine alberne Art verlieren will.21 Die Seite des Mannes ist also durch eine starke Objektbezogenheit charakterisiert. Im Unterschied zu der Frau konzentriert sich der Mann durch den Liebesgegenstand immer nur auf sich, während die Frauen: “Sie haben Jahrhunderte lang die ganze Liebe geleistet, sie haben immer den vollen Dialog gespielt, beide Teile. (...)Und sie haben trotzdem ausgeharrt Tag und Nacht und haben zugenommen an Liebe und Elend.“22 Sie haben nicht an sich gedacht, sie wollten Liebe geben. Eine solche Frauenfigur bei Rilke ist Gaspara Stampa, die italienische Dichterin aus dem 16. Jahrhundert. Ihre Person erscheint sowohl in den Elegien als auch in den Aufzeichnungen und sie ist eine von denen, die die Wendung vollziehen konnten, welche eine Voraussetzung für die richtige Sehweise und Einstellung der Welt gegenüber ist. 1914 hat Rilke das Gedicht Wendung geschrieben, in dem die notwendige Veränderung der gegenüber der Welt gezeigten Haltung beschrieben wird.

“ Denn des Anschauns, siehe, ist eine Grenze.

Und die geschautere Welt

will in der Liebe gedeihn.


Werk des Gesichts ist getan,

tue nun Herz-Werk

an den Bildern in dir, jenen gefangenen;“

Gaspara Stampa hat das Werk des Herzens getan, indem sie das Werk des Gesichts abgetan hat. Sie hat die Welt der Gegenstände in ihrem Herz aufgehoben. Die Gegenstände können aufgehoben werden, indem sie verinnerlicht werden. Sie müssen er-innert werden; sie müssen im Inneren des Menschen (im Herz) aufgehoben und bewahrt werden. Ausschließlich durch die Ver-innerlichung der äußeren Welt können die Gegenstände auf die Stufe der Dinge gehoben werden und dadurch Geltung bekommen. Die Verinnerlichung benennt also den Prozess der Wendung, ohne die die Daseinsfragen nicht beantwortet werden können.

Gaspara Stampa – wie man aus den Lexika erfährt23- hat ihren Geliebten verloren, genauer gesagt wurde sie von ihm verlassen. Sie hat die Schmerzen darüber fruchtbar gemacht, indem sie ihre Leiden in Gedichten – im Medium der Sprache – aufgehoben (verinnerlicht) hat. Die erste Elegie verallgemeinert diese Geste und fragt:

Sollen nicht endlich uns diese ältesten Schmerzen

fruchtbarer werden? Ist es nicht Zeit, dass wir liebend

uns vom Geliebten befreien und es bebend bestehen:

wie der Pfeil die Sehne besteht, um gesammelt im

Absprung

mehr zu sein als er selbst.“ (I./49-53)

Wenn Rilke fragt, ob sich der Mensch endlich von der geliebten Person befreien solle, weist er auf die zu überwältigende Objektbezogenheit der menschlichen Beziehungen hin. Das nächste Pfeil-Gleichnis verstärkt die Notwendigkeit des Loslassens. Das Wesen des Pfeils kommt in seinem Ab-Sprung zum Ausdruck; im Augenblick des freien Fliegens ist er sogar mehr als er selbst. Im Augenblick des Loslassens verwirklicht sich sein Wesen: er fliegt im Offenen: “Denn Bleiben ist nirgends“ (I/53) Gaspara Stampa konnte die Freiheit des Fühlens – bereits ohne konkreten Gegenstand – in der (oder durch die) Lyrik produktiv machen. Sie hat ihren Geliebten überstanden, ist sogar über ihn hinauswachsen, bis ihre Qual in eine herbe, eisige Herrlichkeit umschlug, die nicht mehr zu halten war.24 Die Qualen fanden ihren Ausdruck in Gedichten, wodurch sie aufgehoben und fruchtbar gemacht worden sind.

In der dritten Elegie sehen wir als Gegenpol dazu die Liebe des Mannes, die durch eine ständige Objektbezogenheit gekennzeichnet ist.

Woran liegt es, dass sich der Mann aus der Welt heraushebt und sich der gegenüberstellt? Wer ist Schuld daran? Wer “hat ihm die Bogen der Braun so zur Erwartung gespannt“? (III/15). Die zur Erwartung gespannten Augenbrauen stehen hier für die typische menschliche Attitüde der neugierigen Besitzergreifung, die nie genug kriegen kann. Rilkes Antwort auf die Frage lautet: ältere Schrecken sind in ihn gestürzt, die tief in ihm wurzeln. Er bewältigt aber diese Schrecken nicht, wie die Frauen, die sie verinnerlichen können, und dadurch im Inneren aufheben. Die Mütter und die Mädchen erscheinen hier wieder als Figuren, die vorübergehend den Mann vor seiner eigenen Natur schützen. Deshalb vergeht die Kindheit in einem verhältnismäßig geschützten Zustand. Der Mann war aber nur von außen her behütet.

Aber innen: wer wehrte ,

hinderte innen in ihm die Fluten der Herkunft?“(III/45-46.)

Vor innerer Wildnis ist der Mann aber weitgehend ungeschützt. Als Folge der objektivierenden Attitüde ist er unfähig, die Außenwelt im Inneren aufzuheben und fruchtbar zu machen. Die uralten Instinkte erscheinen deshalb nicht fruchtbar, sonder furchtbar:

liebend

stieg er hinab in das ältere Blut, in die Schluchten,

wo das Furchtbare lag, noch satt von den Vätern.“(III/57-59)

Zum Schluss diesen Abschnitts sollten wir noch ein Zitat aus den Aufzeichnungen heranziehen, in dem klar ausgesagt wird, was der Mann – wir können es aber auch verallgemeinernd sagen: der Mensch – tun sollte. “Wir sind verdorben vom leichten Genuss wie alle Dilettanten und stehen im Geruch der Meisterschaft. Wie aber, wenn wir unsere Erfolge verachteten, wie, wenn wir ganz von vorne begännen die Arbeit der Liebe zu lernen, die immer für uns getan worden ist? Wie wenn wir hingingen und Anfänger würden, nun da sich vieles verändert.25

Der Mensch: eine halbgefüllte Maske

Bevor wir uns der Verwindung der Differenzierung zuwenden, sollte noch auf ein überaus wichtiges Motiv des Zyklus hingewiesen werden, welches mit der Schauspielerei der fünften Elegie als existenzieller Lüge zusammenhängt. Das ist das Masken-Motiv.

Das menschliche Leben als routinemäßige Handlungsreihe hat zwei Seiten. Einerseits sichern die verabredeten (gewollten) Grenzen dem Menschen ein sicheres Terrain, wo er sich zu Hause fühlen kann. Dieses sichere Gebiet wird in den “Aufzeichnungen“ harmlose Welt genannt26. Sie ist aber nur so lange harmlos, bis sie den von uns aufgestellten Spielregeln nicht widerspricht. Andererseits können die Grenzen auch als Hindernisse erlebt werden, die nicht überschritten werden dürfen. Wenn es aber trotzdem passiert – und es muss passieren – verliert der Mensch die Illusion des Zu-Hause-Zu-Seins. Diese Momente sind existenzielle Grenzsituationen, sozusagen Grenzüberschreitungen, bei denen der Mensch unter die Oberfläche schauen muss: beim Tod, bei der Liebe. In diesen Situationen ist man sehr deutlich mit uns (IV/16), und das gefällt uns nicht besonders. Wir wollen von den Grenzsituationen nicht wissen, wir wollen nicht unter die Oberfläche schauen. Der Mensch spielt deshalb, ohne davon zu wissen, er betrachtet die Welt als Theaterbühne, wo er eine Maske trägt und sich ständig verstellt. In den Grenzsituationen muss er feststellen, dass er nur Schauspieler ist, und das Recht auf die Regie ihm bereits weggenommen wurde. Der Mensch ist eine halbgefüllte Maske. Die Maske ist nur ein Vorwand, leer und vollkommen inhaltslos.

Ich will nicht diese halbgefüllten Masken,

lieber die Puppe. Die ist voll.“(IV/26-27)


Sogar eine Puppe ist wahrhaftiger als der Mensch, weil sie sich selbst gibt, verwickelt sich nicht in Lügereien. Der Mensch verstellt sich demgegenüber, indem er Masken trägt, statt sein wahres Gesicht zu zeigen. Alles ist nur Vorwand und Blendung: “Alles ist nicht es selbst“(IV/64-65.). Inzwischen ist aber die Maske fast zur eigenen Haut des Menschen geworden, so dass er kaum bemerkt, dass sein eigenes Gesicht nicht mehr existiert. Sei es hier noch mal auf eine Stelle aus den “Aufzeichnungen“ hingewiesen. Das Kind Malte findet in einem Gästezimmer des Hauses seiner Kindheit alte Masken und Kostüme. Er verkleidet sich, er gibt sich ein neues Gesicht. Als er aber die Maske abzulegen versucht und in den Spiegel schaut, bemerkt er, dass es unmöglich ist. Die Maske ist zu seinem eigenen Gesicht geworden: “Heiß und zornig stürzte ich vor den Spiegel und sah mühsam durch die Maske durch. (...)(der Spiegel) nötigte mich, ich weiß nicht womit, aufzusehen und diktierte mir ein Bild, nein, nein eine Wirklichkeit, eine fremde, unbegreifliche monströse Wirklichkeit, (...) Eine Sekunde Lang hatte ich eine unbeschreibliche Sehnsucht nach mir (...).“27

Deshalb steht die Puppe dem Engel näher als der Mensch. Beide geben sich selbst, beide sind voll und nicht halbgefüllt. Der Mensch kann höchstens als Zuschauer vor dem Leben, - oder vor dem, was für Leben gehalten wird – stehen; und er hat im besten Fall nur Sehnsucht nach sich selbst und nach dem wirklichen Leben.


3. Die Verwindung der Differenzierung – Aufgabe der Dichtkunst

Um die falsche Differenzierung verwinden zu können, und um die Verlogenheit des alltäglichen Lebens mindestens eingestehen zu können, muss man dessen Falschheit erkennen und die Wendung vom Gegenstand zum Ding, dass heißt vom Schein zum Sein vollziehen. Es ist die Zeit gekommen, dass die ununterbrochen getragene Maske abgelegt wird. Es sollte eine grundsätzlich neue Sehperspektive gewählt werden, wodurch das Äußere ins innere verwandelt wird.. .

Wollen, wir sollen sie ganz im unsichtbaren Herzen verwandeln

in – o unendlich – in uns!“(IX/66-67.)

Es muss der Menschen gewandelt werden, sonst bleibt er der ewige Zuschauer, der die Welt – trotz der Deutungsversuche – nie verstehen wird. Er ordnet die Welt nach seinen Regeln, aber sie zerfällt immer wieder, und letztlich zerfällt er selbst. (VIII/66-69.) Die zerfallende Welt befindet sich in einem Zustand, der von Martin Heidegger das ’Weltalter der Weltnacht’28 genannt wird. Die Formulierung ’Weltnacht’ beschreibt eine Endphase der menschlichen Existenz. Die Nacht steht hier für die anbrechende Dunkelheit, in der man sich nur schwer orientieren und ohne Licht leicht verlaufen kann. Die Dinge sind nur in verschwommenen Konturen zu sehen, und es fällt sogar das nicht auf, dass unsere Welt ohne einen festen Grund im Abgrund hängt.29 Dieser quasi-apokalyptischen, klagenden Sichtweise Heideggers entspricht sogar die Gattung der Elegie. Die Bezeichnung der ‚Elegie’ stammt aus dem Altgriechischen und ist von dem Wort élegos “Trauergesang mit Flötenbegleitung“ abgeleitet30. Obwohl die für diese Gattung charakteristische wehmütige Resignation und verhaltene Klage den ganzen Zyklus durchzieht, erscheint sie in unterschiedlichen Funktionen.

Der Dichter verwendet diese lyrische Form in den ersten fünf Elegien instrumentalistisch, ohne besondere Reflexion über das benutzte Mittel. Die klagende Sprache und die Sprache an sich selbst bleiben noch Nebendarsteller, und ihr Wesen bleibt noch unbeachtet. Sie erscheint als Medium ohne ihr eigenes Wesen zeigen zu können. Der zweite Teil des Zyklus offenbart uns, dass die Sprache und dadurch das Dichten über sich hinauszeigen. Die Dichtung vermag die Dürftigkeit der Zeit so darzulegen, dass sie nicht mehr als eine durch die richtige Methode oder Technologie lösbares Problem erscheint, sondern als eine in der Tiefe des Menschen wurzelnde Bestimmung, die nur durch eine wahre Selbstreflexion aufgearbeitet werden kann. Diese Reflexion würde ein prüfendes Nachdenken bedeuten, wobei der Mensch mindestens zu sich selbst ehrlich sein sollte, und die zur eigenen Haut gewordene Maske abstellen könnte. Dieses Nachdenken setzt aber echte und tiefe Demut voraus: die Bereitschaft, sich dem Welt-Geviert zu fügen, und diese Fügung als eine Notwendigkeit zur Kenntnis zu nehmen. Dem heutigen Menschen fehlt es aber an Demut, deshalb muss die Wendung früher passieren. “Im Weltalter der Weltnacht muss der Abgrund der Welt erfahren und ausgestanden werden. Dazu ist aber nötig, dass solche sind, die in den Abgrund reichen.31 An einer späteren Stelle erfahren wir, wer diejenigen sind, die dabei helfen können, den Abgrund zu übersteigen. “Dichter sind die Sterblichen, die mit Ernst den Weingott singend, die Spur der entflohenen Götter spüren, auf deren Spur bleiben und so den verwandten Sterblichen den Weg spuren zur Wende (...) Dichter sein in dürftiger Zeit heißt: singend auf die Spur der entflohenen Götter achten.32 Die Göttlichen sind hier natürlich nicht in einem religiösen Sinn aufzufassen. Sie entsprechen der göttlichen Dimension des Welt-Geviertes des Seins, wo die Dinge zu Hause sind, wo die ursprüngliche Bedeutung von ihnen noch nicht verlorengegangen ist. Das richtige – dichterische – Nachdenken über die Welt bedeutet eine Denk-Bewegung, deren Bestandteile sich in einem Zu-Einander-Verhältnis befinden. Der Himmel, die Erde, die Sterblichen, die Göttlichen, bilden ein “ursprünglich-einiges Zueinander“33 Dieses Zu-Einander benennt das Phänomen, welches in den Elegien “reinen Bezug“ genannt wird. Das Zu-Einander steht im Gegensatz zu dem Über-Einander der zu überwindenden, vergegenständlichenden Einstellung des Menschen. In dem Über-Einander findet man eine Anordnung der Dinge wieder, welche statt der Einheit des Weltganzen die Zerrissenheit zum Ausdruck bringt. In der ersten Elegie lesen wir:

Aber Lebendige machen

alle den Fehler, dass sie zu stark unterscheiden.“(I/80-81)

Die oben zitierten Zeilen beziehen sich jedoch vor allem auf die grundsätzliche Unterscheidung zwischen Leben und Tod, was der eigentliche Grund für die trostlose Klage ist. Diese Trostlosigkeit kann aber solange nicht verwunden werden, bis die Einheit des Weltganzen, das heißt: die Bezüge des Seins nicht bejaht werden. Es gibt demnach kein ausgezeichnetes Paradigma des Seins, welches eine bessere Erklärung geben könnte als das andere. In dem Welt-Geviert ist also wieder Demut nötig. Richard Rorty formuliert es im Zusammenhang mit den Weltdeutungsparadigmen folgendermaßen: “Sofern wir überhaupt etwas verstehen, verstehen wir es mit Hilfe einer Beschreibung, und privilegierte Beschreibungen gibt es nicht. Es gibt keine Möglichkeit, unsere deskriptive Sprache zu hinterschreiten und zum Gegenstand an sich vorzudringen.“34 Der Mensch kann also der Welt ausschließlich durch die Sprache näher kommen. “Sein, das verstanden werden kann, ist Sprache“, sagt Hans-Georg Gadamer. Auch er betont die Bedeutung der Demut, indem er seinem Hauptwerk “Wahrheit und Methode“ die folgenden Verse von Rilke voranstellt:

Solang du Selbstgeworfenes fängst, ist alles

Geschicklichkeit und lässlicher Gewinn

Erst wenn du plötzlich Fänger wirst des Balles,

den eine ewige Mitspielerin

dir zuwarf, deiner Mitte, in genau

gekonntem Schwung, in einer jener Bögen

aus Gottes großem Brückenbau:

erst dann ist Fangen-können ein Vermögen, -

nicht deines, einer Welt.

Wenn sich der Mensch ohne Demut, mit Hohn der Welt gegenüberstellt und so das Sein zu beherrschen versucht, statt es zu verstehen, bringt das wenig, das bleibt ein fragwürdiges Glück. Das Verstehen des Welt-Ganzen wird Fangen-können genannt. Dieses Fangen-können enthält aber nichts Transitives, denn es gehört nicht dem einzelnen Menschen, sondern der Ganzheit der Welt. Etwas zu verstehen, heißt inmitten des Welt-Gevierts zu sein. Fänger des Balles kann derjenige sein, der zur Mitte des Seins gelangt, und sich nicht über das Welt-Ganze stellt. Inmitten des Seins zu sein, bedeutet an den reinen Bezügen teilzuhaben. Der Mensch muss also an das Welt-Geviert mit Demut herankommen. Was vom Sein verstanden werden kann, kann durch die Sprache geschehen.

Die Dichter können noch vielleicht den Bezug zu der Dimension der Dinge beleben. Sie besitzen die Möglichkeit durch das Nennen der Dinge und durch ihre Sprache den Sterblichen die göttliche Dimension zu zeigen. Die Geste des Zeigens soll hier so im konkreten wie auch im übertragenen Sinne verstanden werden. Der Dichter zeigt den Weg zur Wende, indem er die Dinge nennt und preist.


    1. Das Nennen der Dinge

Das sterbliche Sprechen – das ewige Wort

Die zweite Hälfte des Elegien-Zyklus – mit der Ausnahme der achten Elegie – zeigt eine neue Einstellung der Welt gegenüber. Was von Rilke Fangen-können genannt wird, ist ein dichterischer Ausdruck für das Verstehen-können der Dinge des Welt-Ganzen. Dieses Können setzt aber die neue Attitüde eines Fängers voraus.

Hier ergeben sich zwei entscheidende Fragen: 1) Was bedeutet ein Fänger (des Balls) zu sein? 2) Wer kann Fänger sein?

Beim Verstehen der Dinge bedeutet das Fangen keinen Willensakt, wobei den Dingen ihre Freiheit genommen wird. Dieses Fangen ist kein einseitiger Prozess. Wenn es nämlich durch die Dominanz der einen Seite gekennzeichnet wäre, wäre es kein Verstehen der Dinge in ursprünglichem Sinn. Es ist dann bloße Geschicklichkeit und lässlicher Gewinn. Rilke nennt es lässlichen Gewinn, weil das einseitige Verstehen nie ein echter Gewinn sein kann; darin kommt die verhängnisvolle Vergegenständlichung der Welt zum Ausdruck. Wenn das Verstehen als wollendes Fangen begriffen wird, wird die andere Seite – die vom Menschen verstanden werden sollte – als Beute betrachtet, welche der Mensch in eine Falle locken und willkürlich behandeln kann. Denken wir an die ersten Verse der 8. Elegie:

Nur unsere Augen sind

wie umgekehrt und ganz um sie gestellt

als Fallen, rings um ihren freien Ausgang.“(VIII/2-4)

Das Welt-Ganze (das Welt-Geviert) kann also nicht gefangen werden, es kann nur empfangen werden. Etwas zu empfangen heißt etwas von der anderen Seite entgegenzunehmen. Rilke nennt diese andere Seite ewige Mitspielerin. Das Verstehen ist ein Geben-und-Empfangen-können. Wir sind damit wieder bei der Gegenseitigkeit angelangt, welche notwendig wäre um das Welt-Ganze verstehen zu können. Die Richtigkeit von diesem empfangenden Verstehen wird dadurch betont, dass es mit der Ordnung Gottes großen Brückenbaus verglichen wird. Also um über das richtige Fangen-können zu verfügen, muss man zum Empfänger werden.

Wer kann aber Empfänger werden?

Den Gesagten zufolge muss man innerhalb eines gegenseitigen Verhältnisses stehen. Das Welt-Geviert – die Sterblichen, die Göttlichen, der Himmel, die Erde – muss als eine Einheit, ohne Differenzierung gedacht werden. Heidegger nennt diese Vier ein “ursprünglich-einiges Zueinander.“35 Dieses Zueinander beschreibt das Verhältnis zwischen den Seiten des Gevierts, in welchem zwischen den scheinbar unvermittelbaren Dimensionen vermittelt wird. Eine Vermittlung zwischen den Sphären des Gevierts braucht allerdings vermittelndes Element, durch welches man der gewünschten Differenzlosigkeit näher kommen kann.

Differenzlosigkeit ist die Abwesenheit der Unterscheidung, eine Verwirklichung der Übereinstimmung vom Wort und Ding. Die gesuchte Identität zwischen Wort und Ding entspricht der Identität von Sage(n) und Sein. Wir müssen vor allem fragen, was ist das Gemeinsame am Wort und am Ding, wie kann das Wesen der beiden erfasst werden? Wir müssen dabei fortwährend bedenken, dass die Überwindung der ontisch-ontologischen Differenz nur dann möglich ist, wenn die Differenz als Einheit gedacht wird. Die beiden Seiten benötigen einander gegenseitig.

Das Ding ist sozusagen auf das Wort angewiesen, um zu sein. Das Wort nennt die Dinge. Der Prozess des Benennens ist deshalb ein Schöpfungsprozess. Hier sollte auch auf den dritten Vers des 1. Kapitels des Johanneischen Evangeliums hingewiesen werden: “Alle Dinge sind durch dasselbe (das Wort) gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.“ Wir dürfen aber den göttlichen Charakter des Wortes auf keinen Fall in einem strikt religiösen Sinn auslegen. Zur Auslegung dieser Art göttlicher Beschaffenheit des Wortes sei es hier ein Kommentar zu diesem Vers von Fichte herangezogen: Die Welt und alle Dinge sind lediglich in Begriffen, in Johannes Worten und als Begriffene, und bewusste – als Gottes Sich-Aussprechen Seiner Selbst – da; der Begriff, oder das Wort sei ganz allein der Schöpfer der Welt überhaupt, und durch die in seinem Wesen liegenden Spaltungen, der Schöpfer der mannigfaltigen und unendlichen Dinge in der Welt.36 Das Wort als Weltschöpfer sollte als Gabe an den Menschen erkannt werden. Ein Geschenk mit dem der vergängliche Mensch Ewiges schaffen kann. Das Wort verbindet die Dimensionen des Seins, es vermag zwischen den Unvermittelbaren zu vermitteln. Die Erde und der Himmel treffen sich in dem Wort.


Das Wort ereignet sich in der Sphäre der Sprache. Die schöpferische Kraft des Wortes kommt zum Ausdruck, indem es die Dinge nennt, und Dinge ins Leben ruft. Man findet die Beschreibung des nennenden Rufens bei Heidegger. Die Nennfunktion des Wortes erschöpft sich nicht in der bloßen Namengebung für einen Gegenstand des Lebens, weil das bedeuten würde, dass die Dinge auch ohne die Wörter existieren können, und damit die Schöpferfunktion des Wortes verloren ginge. Das Rufen ist also mehr als nur Etikettieren, was sich über das Wesen der Dinge hinwegsetzt. Die siebente Elegie behandelt das Rufen der Dinge, worüber wir noch zu sprechen kommen. Die ins Wort gerufenen Dinge werden – mit Heideggers Worten – in den Glanz des Goldes gestellt. Dieser Glanz birgt alles Anwesende in das Unverborgene seines Erscheinens.37 Das Wesen der Dinge kann sich nur im Unverborgenen zeigen. Die Dinge leuchten nur dann, wenn sie in die Einheit des Welt-Gevierts gestellt sind.

Der normale Sprachgebrauch ist aber lange nicht mehr im Zustande das Ins-Wort-Rufen der Dinge vollzubringen. Die Wahrheit der Dinge wird auf die Wahrheit der Aussagen reduziert. Das größte Problem damit ist es, dass solche Wahrheiten entweder von der eben gängigen Verifikationstheorie der Wahrheit abhängig gemacht oder durch einen theorieunabhängigen Referenzbegriff á la Hilary Putnam objektiviert werden. 38 Bei ihm ist die Bedeutung eines Wortes die Gesamtheit seiner grammatischen Eigenschaften und seiner Extension, die zum Teil sozial, zum Teil individuell bestimmt sind.39Alles ist also nur eine Frage der Methode geworden. Heideggers Ansicht nach ist die Sprachphilosophie des 20. Jahrhunderts pure Metalinguistik geworden:“(...) die Metalinguistik ist die Metaphysik der durchgängigen Technifizierung aller Sprachen zum allein funktionierenden interplanetarischen Informationsinstrument“40

Das einzige Terrain, wo die Sprache noch nicht zum Gegenstand gemacht wurde, ist die Sprache in der Kunst: in der Dichtkunst. Hier kann die Sprache noch ihre ursprüngliche Aufgabe erfüllen, die Dinge in Worte rufen und den Menschen aufzeigen.


In der zweiten Hälfte des Elegien-Zyklus versucht Rilke das Ins-Wort-Rufen aufzuzeigen. Wir müssen zur Aufhebung der dauernden Unterscheidung gelangen. Diese differenzierende Beurteilung der Dinge wird in den Versen 80-81. der Ersten Elegie Fehler genannt.

Unter Fehler sollten wir aber keine einmalige Entgleisung des Menschen verstehen, weil es dann durch Geschicklichkeit ohne weiteres gemeistert werden könnte. Solch ein Ergebnis wäre dann wirklich ein lässlicher Gewinn. Die Differenzierung wurde in den ersten fünf Elegien als die fehlerhafte Grundhaltung des Menschen aufgezeigt, und durch bestimmte Motive artikuliert. Die Grundmotive sind die differenzierenden Gegenüberstellungen vom Leben und Tod, von Liebenden und Geliebten, von Vergangenheit und Gegenwart, von Zeitlichkeit und Ewigkeit. In der zweiten Hälfte des Zyklus können wir die Beschwichtigung dieser Differenzierung verfolgen bis zu derer völliger Aufhebung in der Zehnten Elegie, wo Wort und Ding in vollkommene Übereinstimmung gebracht werden.

Rilke greift wieder die bekannten Motive auf, die in den ersten fünf Elegien bereits analysiert wurden.

Die sechste – die kürzeste – Elegie behandelt den Tod. Was bisher als endgültige Grenze, und dadurch als Quelle unserer Ängste betrachtet war, wird jetzt in neues Licht gestellt. Als Beispiel für die neue Attitüde, die das Sein durch die ständige Differenzierung nicht mehr in unvereinbare Stücke zerreißt, nimmt Rilke die Helden und die frühen Hinüberstimmten. Von ihnen wird gesagt:

Diese stürzen dahin: dem eigenen Lächeln

sind sie voran“ (VI/17-18.)

Dauern ficht ihn nicht an.“(VI/20-21.)

Der Held klammert sich nicht ans Leben, weil es für ihn nicht als Grenze gedacht ist, sondern als eine Dimension des großen Ganzen. “Sein Aufgang ist Dasein“(VI/21). Sein Leben ist ein echtes Leben, denn er verweilt nicht, er stürzt dahin. Das Feigenbaum-Bild am Anfang der Elegie wird zum Sinnbild des Lebens, das nicht auf einen Endpunkt hin gerichtet ist. Parallel zu dem dahinstürzenden Helden steht der Feigenbaum, der auch am Seinsganzen teilhat. Der Feigenbaum eilt sich so schnell zu seiner Frucht, dass er die Phase der Blüte fast überspringt.

Feigenbaum, seit wie lange schon ist mir bedeutend,

wie du die Blüte beinah ganz überschlägst

und hinein in die zeitig entschlossene Frucht,

ungerühmt, drängst dein reines Geheimnis.“ (VI/1-4.)


Die zeitig entschlossene Frucht steht hier für den Tod. Darausfolgend wird der Tod auch als Ziel betrachtet. Er soll als Bestandteil des Lebens akzeptiert und bejaht werden. Der Held erfüllt durch seinen Tod seine Aufgabe. Die Bejahung des Todes bedeutet auch dessen Überwindung.

Rilke hat für die Veranschaulichung der richtigen Einstellung dem Seinsganzen gegenüber die symbolische Figur des Helden gewählt. Der Held ist seiner Bedeutung nach ein Kämpfer, der trotz feindseliger Umstände beachtliche Taten vollbringt. Die größte Tat des Helden ist, dass er rein bleiben kann. Da er sich als Teil des Seinsganzen bekennt, hat kein Schicksal. Sein Leben ist nie abgeschlossen, es ereignet sich dynamisch41.

“es erhält sich der Held, selbst der Untergang war ihm

nur ein Vorwand, zu sein: seine letzte Geburt“(I/41-42.)

In diesem Sinne kann er nicht einmal mit dem Kind gleichgesetzt werden, weil es schon kurz nach seiner Geburt falsch orientiert wird, indem ihm die Dynamik des Seins weggenommen wird. In der achten Elegie wird es folgendermaßen formuliert:

denn schon das frühe Kind

wenden wir um und zwingens, dass es rückwärts

Gestaltung sehe, nicht das Offene, das

im Tiergesicht so tief ist.“(VIII/6-9.)

Die zitierten Verse zeigen es deutlich, dass die Tiere dem Helden näher stehen als die frühen Kinder. Es gilt auch für die Pflanzen, Bäume, und für die jungen Toten, die in allen Dimensionen des Seins zu Hause sind. Sie sind im Offenen.

Das Offene vereinigt die vier Dimensionen des Seins, das ist die vollkommene Differenzlosigkeit. Es ist wichtig, dass das Offene keinesfalls als Gegensatz des Geschlossenen gedacht werden darf; das heißt: Es kann dem Geöffneten nicht gleichgesetzt werden. Solche Deutungsversuche müssen grundsätzlich falsch sein, weil es sich hier mehr um einen intelligiblen Raum handelt, welcher nicht vergegenständlicht werden kann. Es herrschen in diesem Raum die freien Bezüge.

Seltsam,

alles, was sich bezog, so lose im Raume

flattern zu sehen.“(I/76-78.)

Wenn es wahrgenommen werden könnte, wie es sich mit den Dingen im Offenen verhält, wäre es seltsam es zu erleben. Die im Raum lose flatternden Dinge veranschaulichen die Freiheit des Offenen.

Die Sechste Elegie hat in der Figur des Helden die Vergänglichkeit, die Quelle der Menschlichen Ängste gerühmt.

In der Siebenten Elegie bleibt der rühmende Ton beibehalten, das Objekt des Rühmens ist hier die richtige Liebe, die durch keine Objektbezogenheit gekennzeichnet ist. Dadurch bezieht sich hier die Preisung auf keine konkrete Person, sondern auf das ganze Leben, auf das Hiersein(VII/39.).

Die Einheit mit dem Leben wird hier dargestellt. Der Mensch sollte am Leben teilhaben, wie die anderen Lebewesen. Das Lorbeer-Motiv in der neunten Elegie wird die Einheit mit dem Leben besonders schön versinnbildlichen. Der wellenförmige Blattrand des Lorbeers erscheint als das Lächeln des Windes(IX/1-4.). Die Pflanze und der Wind bilden eine vollkommene, harmonische Einheit. Die Liebe soll auch eine ähnliche Einheit sein, wo zwischen dem Liebenden und der Geliebten kein besitzergreifendes Verhältnis besteht sondern echte Gegenseitigkeit, indem sich die beiden ineinander wiederfinden können. Die Liebe bezieht sich auf das ganze Leben, auf die ganze Natur. Die Liebe zum Leben bedeutet ebenso eine neue Haltung. Die Objektbezogenheit muss überwinden werden. In dem bereits zitierten Gedicht “Wendung“ nennt Rilke das Zu-Überwindende: Gesichtswerk. Er meint damit die Übermacht der Außenwelt. Die siebente Elegie betont die Falschheit dieser Einstellung:

Sichtbar wollen wirs heben, wo doch sichtbarste Glück uns

erst zu erkennen sich giebt, wenn wir es innen verwandeln“(VII/48-49.)

Aus dem Gesichtswerk wird nur dann Herzwerk, wenn wir die Welt innen verwandeln. Sonst bleiben wir unter den toten Gegenständen, und die Welt bleibt für uns auch nur ein vergänglicher Gegenstand.

Nirgends, Geliebte, wird Welt sein, als innen.“(VII/50.)

Das Verwandeln der Welt kann aber nur durch den Menschen vollzogen werden. Durch den Prozess des Verwandelns werden die vergänglichen Gegenstände aus der Außenwelt in die Innenwelt sendet. Die verwandelten Dinge bekommen dadurch Dauer. Indem ein Gegenstand im Herzen der Menschen aufgehoben wird, bekommt eine spezielle, tiefere Bedeutung. Die wirkliche Bedeutung des Dinges liegt an dem gefühlsbetonten Bezug, den man zu ihm im Herzen aufgebaut hat. Dieser Bezug kann aber nur innerlich aufgebaut werden. Über den inneren Bezug zu den Dingen schreibt Rilke in einem Brief vom 13. November 1925: “Noch für unsere Großeltern war ein ‚Haus’, ein ‚Brunnen’, ein ihnen vertrauter Turm, ja ihr eigenes Kleid, ihr Mantel: unendlich mehr, unendlich vertraulicher, fast jedes Ding ein Gefäß, in dem sie Menschliches vorfanden und Menschliches hinzusparten.“42

Die Menschheit befindet sich im Weltalter der Weltnacht in welcher der Weg nur schwer gefunden werden kann. Wenn der Mensch die Welt nur äußerlich um-wandelt, erweist sich das noch als ungenügend, weil:

Jede dumpfe Umkehr der Welt hat solche Enterbte,

denen das Frühere nicht und noch nicht das Nächste gehört.

Denn auch das Nächste ist weit für die Menschen.“(VII/63-65.)

Im ontologischen Sinn gehört dem Menschen nichts, wenn er seiner Welt in der Form der Besitzergreifung näher zu kommen versucht. Auf dieser Weise bleiben sogar die nächsten Dinge des Seins zu weit. Die wichtigsten Momente unseres Lebens (Geburt, Liebe, Tod, Glaube) bleiben dadurch unbegreifbar, es wird ihnen nicht erlaubt ihr eigenes Wesen zu zeigen. Die achte Elegie greift diese Frage noch einmal auf, wenn in der vorletzten Strophe die hoffnungslosen Deutungsversuche des Menschen geschildert werden. Wir ordnen die Welt, aber am Ende können wir uns selbst nicht ordnen. Wir zerfallen selbst in tausend Stücke. Die ursprüngliche Einheit des Seinsganzen wird hier wieder angesprochen, indem der Dichter über den Prozess des Erkennens als über den Prozess der Differenzierung spricht. Im Hintergrund der Differenzierung liegt eine eindeutige Instrumentalisierung des Lebens.

Rilke beruhigt uns aber: “Uns soll dies nicht verwirren“ (VII/66.) Der Mensch hat ja eine Möglichkeit sich in der verwirrenden Welt zu Hause zu fühlen. Die vergängliche Welt muss in uns durch das Verwandeln bewahrt werden. Diese Bewahrung wird zur eigentlichen Aufgabe des Menschen erhoben. Alle Objekte der vergänglichen Welt werden im Innenraum des Menschen bewahrt, und bekommen dadurch Ewigkeit. Die Ewigkeit ist in unserem Herz begründet.


3.2. Aufgabe: das Sagen der Dinge

Wie kann man der Herausforderung des Verwandelns der Außenwelt in den Innenraum gerecht werden? Was nimmt man in den Innenraum hinüber?

Die Dinge des Lebens werden durch das Ins-Wort-Rufen in den Herzinnenraum verwandelt.

In der Siebenten Elegie spricht Rilke von den verschiedenen Stufen des Rufens – er nennt sie Rufstufen. Das Rufen unterscheidet sich vom Werben und Schreien dadurch, dass es von der Transitivität befreit ist, und die Form der Preisung auf sich nimmt. Die rühmende Stimme gilt für die Dinge des Da-Seins.

Hiersein ist herrlich.“(VII/39.)

Durch das Ins-Wort-Rufen werden die vergänglichen Dinge eine Art Ewigkeit bekommen. Das dichterische Sagen verwandelt die Dinge nach innen. Das Welt-Ganze des Welt-Gevierts ist nur dichterisch, also sprachlich zu verwirklichen. Das Außen der gegenständlichen Welt muss durch das Sagen ins Innere des Herzens übergehen. Das Welt-Ganze kann nur in uns verwirklicht werden:

Nirgends, Geliebte, wird Welt sein, als innen. Unser

Leben geht hin mit Verwandlung. Und immer geringer

schwindet das Außen.“(VII/50-52.)

Nur im Herzinnenraum sind die vier Dimensionen des Seins vereinigt, nur dort gib es eine völlige Übereinstimmung von Außen und Innen. Das kann nur auf der sprachlichen Ebene vollzogen werden. Die Einheit des Seins wird durch das rufende Wort des Dichters Wirklichkeit. Übereinstimmung vom Wort und Ding kann nur durch die Überwindung den vergegenständlichenden Sprachgebrauch erzielt werden. In der Sprache der Dichtung befinden wir uns auf einem offenen Gebiet, welches keine traditionellen Grenzen erlaubt. Das Wort hat im Offenen andere Aufgaben und damit auch andere Möglichkeiten als in der gedeuteten Welt der Gegenstände. Es bezieht sich nicht dadurch auf Wirklichkeit, dass es auf bestimmte Welt-Stücke in ihr referiert oder be-schreibt. Jegliche Form der Transitivität ist in der Dichtkunst fehl am Platz. Das Wort in der Dichtkunst ruft die Dinge ins Wort. Mittels des poetischen Ins-Wort-Rufens wird das Wunder der Schöpfung geschafft: Der Engel, der die anderen Annäherungsversuche des Menschen strikt abgelehnt hat, kann sich dem dichterischen Wort nicht mehr widersetzen. Es ist ein Mittel der Vermittlung zum Unvermittelbaren gefunden worden, indem das menschliche Wort nicht bloß auf ein äußeres Weltstück referiert und den Gegenständen einen Namen gibt, sondern kraft der Rufes eine Wirklichkeit eröffnet und die hiesigen Dinge zum starken Dasein verhilft.

Das Hiersein muss ins Wort gerufen werden, und dadurch es aufgezeigt werden. Das Hiersein ist unser Seinsmodus. Der Grund unseres Daseins ist dieses Hiersein. Deshalb sind wir samt unserer Gegenstände einzigartig und unwiederholbar. Wir sind nämlich vergänglich. Aber was der Mensch – und ausschließlich er – zu leisten vermag, ist eine Menge.

Aber weil Hiersein viel ist, und weil uns scheinbar

alles das Hiesige braucht, dieses Schwindende, das

seltsam uns angeht.“ (IX/10-12.)


Das Hiesige, die Welt braucht uns. Mag es sich auch überaus pathetisch anhören, der Mensch ist wichtig. Er ist derjenige der den vergänglichen Dingen Ewigkeit schenken kann. Der Schwindendste der Schöpfung hat eine Aufgabe: durch die Sprache, durch das poetische Wort die Dinge zu zeigen und dadurch sie in der Zeitlosigkeit aufzuheben.

Preise dem Engel die Welt, nicht die unsägliche, ihm

kannst du nicht grosstun mit herrlich Erfülltem;“ (IX/52-53.)

Durch die Preisung des Irdischen können die Sterblichen in Dimension des Göttlichen reichen und eine Einheit des Seins-Ganzen . Das poetische Wort ist das schaffende Wort. Denken wir an die ursprüngliche Bedeutung des altgriechischen Verbs poiein: machen oder schaffen etwas. Der Dichter kann erreichen dass, durch das poetische Sagen des Wortes die Dinge in ihrer ursprünglicher Form vor uns erscheinen. Ihre Wahrheit bleibt nicht länger unter der gegenständlichen Oberfläche, sondern wird in ihre Unverborgenheit gestellt. “Im Werk ist die Wahrheit am Werk nicht nur ein Wahres. Das Bild das die Bauernschuhe Zeigt, das Gedicht das den römischen Brunnen sagt, bekunden nicht nur, was diese vereinzelte Seiende als diese sei, falls sie je bekunden, sondern sie lassen Unverborgenheit als solche im Bezug auf das Seiende im Ganzen geschehen.“43 Heideggers Formulierung nach ist die Wahrheit dann am Werk, wenn das Gedicht die Dinge so zum Vorschein bringen kann, dass sie innerhalb des Welt-Ganzen ihren Standort finden können. Wir müssen aber auch dem kurzen Satzglied “falls sie je bekunden“ Acht schenken. Es ist nämlich nicht entschieden ob ein Gedicht das Seiende in das Offene seines Seins bringt. Wenn es so geschieht, ist die Wahrheit wirklich am Werk, wenn aber es keine Identität zwischen Wort und Ding entsteht, bleibt das Seiende weiterhin in seiner Verborgenheit. Die Dimensionen des Welt-Gevierts bleiben weiterhin voneinander getrennt.


3.3 Wort-Ding-Identität

Zu-Hause im Klage-Land

Mit der Zehnten Elegie sind wir nach Hause gekommen. Rilke beginnt aber mit einer Bilanzziehung aus den vorher Gesagten. Die Einsicht in die menschliche Wesensart macht einen grimmig. Der vergängliche Mensch definiert sich – ohne zu wissen – durch lauter vergängliche Gegenstände. Statt der Einheit fällt er deshalb der Zerrissenheit anheim. Statt der Übereinstimmung mit dem Welt-Ganzen erbt er die ununterbrochene Differenzierung.

Der Dichter weiß aber schon: nur durch die Verwindung der Differenzierung gelangt der Mensch zu sich selbst, zu seiner Mitte. Die Bejahung der Vergänglichkeit – und der damit zusammenhängenden Schmerzen und Leiden – sichert eine Ewigkeit. Diese Bejahung wird sprachlich durchgeführt, weil ohne Sprache der Mensch nicht existiert. Insofern liegt das Wesen des Menschen in der Sprache.

Die Identifizierung des Menschen mit der Sprache erscheint in der Zehnten Elegie auf eine besondere Art.

Rilke hat für seinen Gedicht-Zyklus die Elegie-Form gewählt. Wie es schon früher besprochen wurde, kann dieses Wort als Klage-Lied übersetzt werden. In der Zehnten Elegie ist der intelligible Ort des Geschehens das Land der Klagen, die Hauptakteure sind die Klagen selbst. Dieses imaginäre Bild ist aber keine leere Blendung. Das ist die absolute Einheit vom Wort und Ding. Das ist das Offene, das Terrain der reinen Bezüge, wo sich die Dinge wechselseitig aufeinander beziehen, wo es kein ausschließliches Zentrum der Bezüge gibt. Der Mensch steht also nicht im Zentrum des Seins. Er ist ein Teil des Ganzen.

Wenn wir an Heideggers Seins-Landkarte denken, können wir das Rilkesche Leidland in der Mitte der Karte platzieren. Dort könnte der von Rilke das Offene genannte imaginäre Raum Platz nehmen. Über dem Leidland erstreckt sich der Sternenhimmel, deren alle Sterne einen eigenen Namen haben:

Und höher, die Sterne, Neue. Die Sterne des Leidlands.

Langsam nennt sie die Klage: - Hier,

siehe: Den Reiter, den Stab, und das vollere Sternbild

nennen sie: Fruchtkranz.“(X/88-91.)

Die personifizierte Klage nennt die Sternbilder, welche die Ur-Bilder der irdischen Dinge darstellen. Hier sind die Dinge vollkommen identisch mit sich selbst. In der imaginären Welt der Elegie /des Klageliedes sind die Dinge selbst. Die Dinge können nur in dem Klagelied auf sich selbst referieren. Die Elegie soll hier aber in einem erweiterten Sinne verstanden werden. Sie ist viel mehr als einfache Gattungsbezeichnung, sie steht hier für die Sprache, für das dichterische Sagen. Der Zirkel schließt sich damit: Das Verstehen und das Zu-verstandene fallen zusammen. Der Sinn des menschlichen Lebens ist uns ausschließlich durch die Sprache naher zu bringen. Die Sprache kann aber eine Erklärung nur durch eine gesetzte Übereinstimmung mit unserer Welt bekommen.


Zusammenfassung

Ein Antwortversuch

Zum Schluß des Aufsatzes kehren wir jetzt noch zu dem als Motto gewählten Rilke-Gedicht ‚Geheimnisvolles Leben’ zurück, und versuchen die darin stehenden Fragen unter Berücksichtigung der Resultate unserer Analyse zu beantworten.

Die fundamentale Frage des Gedichtes richtet sich nach dem Sinn des Lebens und nach dem Verhältnis des Lebens zum Tod.

Die Analyse der Duineser Elegien hat uns gezeigt, wenn man über das Sein nachdenkt, dabei über das Leben nachdenkt. Das Sein selbst ist für uns durch das Leben (durch das Dasein) anwesend. Wenn hier nach dem Sinn des Lebens gefragt wird, wird zugleich nach dem Sinn des Seins gefragt.44 Rilkes Frage bezieht sich also auf das Sein. In der Analyse haben wir festgestellt, dass der Sinn des Lebens auf dem gewohnten Weg bestimmt unbeantwortlich bleiben wird. Die Ursache für die Unmöglichkeit einer Antwort, müssen wir in der Art und Weise unserer Deutungsversuche suchen. Der Mensch lässt die Welt und deswegen auch das Leben nicht in ihrer eigenen Form gelten, sondern nur verstellt: in Form der Gegenstände, indem er sich der Welt gegenüberstellt. Diese Gegenüberstellung wird zur Ursache der Differenzierung. Im Gedicht des Mottos lesen wir die Bitte des Dichters, mit der er sich an das Leben wendet: “Lass mich deinen Sinn erfahren“ Die Wortwahl fiel hier auf das Verb ‚erfahren’. Dieses Verb wird von Heidegger folgendermaßen interpretiert. “eundo assequi: im Gehen, unterwegs etwas erlangen, es durch den Gang auf einem Weg erreichen.45 Den Sinn des Lebens kann der Mensch erkennen, indem er unterwegs ist, sich in die Prozessualität des Seins setzt, und das Leben ereignen lässt. Der Gegensatz davon ist es, wenn er die Welt als abgeschlossener Gegenstand betrachtet. Wenn das der Fall ist, wird alles, was sich den menschlichen Deutungsversuchen entzieht, als Feind behandelt. Deshalb ist der Tod als Widerspruch des Lebens verpönt.

Wenn wir aber auf die Vergegenständlichung verzichten würden, könnte auch der Tod als Teil einer größeren Einheit bejaht werden. Der Dichter ist aber unterwegs zur Wahrheit, wenn fragt:

Ist er(der Tod) der Widerspruch der Welt?

Ist er Heil?

Ist er ein Teil von dir, des Lebens Teil?

Weil ich ihn nur so denken kann – im Leben“.

Wir können jetzt versuchen eine Antwort zu geben: Der Tod ist weder Heil, noch ein Widerspruch des Lebens. Der Tod sei die unbeschienene Seite des Lebens. Diese Formulierung steht im Brief vom 25. November 1924, den Rilke an einen Übersetzter der Elegien geschrieben hat, um ihm einige Stellen seines Werkes zu erklären. Dieser Satz ist wirklich einleuchtend, und zugleich ein wichtiger Beleg für unsere Auslegung.

Die Seite des Todes ist noch ins Dunkel der Dämmerung gehüllt, deshalb erscheint er fremd und gefährlich, und es kann den Menschen zu falschen Urteilen verführen. Um den Tod richtig verstehen zu können, muss er ans Licht gebracht werden und dadurch sein Wesen zeigen. Die Elegien haben uns die Einheit des Todes und Lebens vermittelt. Diese Vermittlung der ursprünglichen Einheit erwies sich als ein Auftrag des Menschen. Der Mensch vermag aber diese Aufgabe wegen seiner ererbten differenzierenden und vergegenständlichen Grundattitüde nicht zu erfüllen. Es müsste solche Menschen geben, die bereit sind diese falsche Einstellung aufzugeben und sich in das Seins-Ganze einzulassen. Unter diesem Einlassen verstehen wir die Dinge als solche Entitäten gelten zu lassen, wie sie ohne die Vergegenständlichung ursprünglich sein könnten. Mit Heideggers Worten hieß es: die Dinge ins Wort rufen, durch das Sagen der Dinge, sie in ihre Wahrheit stellen. Dieses Stellen ist aber kein transitiver Prozess mehr, in dem die Dimensionen des Welt-Gevierts voneinander getrennt bleiben Durch das dichterische Ins-Wort-Rufen wird der Mensch inmitten der Dinge gestellt. Er wird sozusagen mit den Dingen verwoben werden.

Du musst mir nicht sagen wie alles ist.

Du musst mir nur einige Zeichen geben

und mich mit allen Dingen verweben,

darinnen du verwoben bist“

Aus den letzten Versen spricht eine bescheidene demütige Stimme zu uns, welche aber keine Resignation verspürt, sondern auf die Erkenntnis hinweist, die auch die Elegien vermittelt haben. Mit den Dingen verwoben zu sein, ist vielleicht das Höchste, was ein Mensch vom Leben erwarten kann. Am Ganzen des Seins teilzuhaben, ist also nur durch das Offen-sein möglich, indem Wort und Ding eine Einheit bilden.

Diese Einheit soll durch die Dichter – durch ihre Sprache – aufgezeigt werden.

Zum Abschluss des Aufsatzes zitieren wir die letzten beiden Strophen der XIX. Sonette an Orpheus aus dem ersten Teil:

Nicht sind die Leiden erkannt,

Nicht ist die Liebe gelernt,

und was im Tod uns entfernt,


ist nicht entschleiert.

Einzig das Lied überm Land

heiligt feiert.“


Literaturverzeichnis:

Rainer Maria Rilke:

  1. Die Wendung. In: Sämtliche Werke, hrgst. vom Rilke-Arciv in Verbindung mit Ruth Siebner Rilke, besorgt durch Ernst Zinn. Band 2. Frankfurt am Main, Insel Verlag, 1987, S. 82-84.

  2. Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, Kommentierte Ausgabe. Hrsg. Und kommentiert von Manfred Engel, Stuttgart, Philipp Reclam – Literatur Studium, 1999.

  3. Duineser Elegien. In: Sämtliche Werke, hrgst. vom Rilke-Arciv in Verbindung mit Ruth Siebner Rilke, besorgt durch Ernst Zinn. Band 1. Frankfurt am Main, Insel Verlag, 1987, S. 683-726.

  4. Geheimnisvolles Leben. In: R. M. Rilke: Gedichte. Hrsg. von Silvia Schlenstedt, Leipzig, Verlag Philipp Reclam jun. 41986, S. 40.

  5. Solang du Selbstgeworfenes fängst... In: R. M. Rilke: Gedichte. Nach der von Erns Zinn besorgte Edition der Sämtlichen Werke, Framkfurt am Main, Insel Verlag, 132002, S. 918.

  6. Todes-Erfahrung. In: R. M. Rilke: Gedichte. Hrsg. von Silvia Schlenstedt, Leipzig, Verlag Philipp Reclam jun. 41986, S. 40.

  7. Brief an Witold Hulewicz am 13. Nov. 1925. In: Briefe in drei Bänden, hrsg von Karl Altheim, Frankfurt/M, Insel Verlag, 1987, S. 898.

Martin Heidegger

  1. Aus der Erfahrung des Denkens. Frankfurt am Main, Vittorio Klostermann. 22002.

  2. Das Wesen der Sprache. In Unterwegs zur Sprache, Pfullingen, Verlag Günter Neske. 91990.

  3. Der Feldweg. Bebilderte Sonderausgabe, Frankfurt am Main, Vittorio Klostermann. 32002.

  4. Der Ursprung des Kunstwerks. In Holzwege, Frankfurt am Main, Vittorio Klostermann. 71994.

  5. Die Sprache. In: Unterwegs zur Sprache, Pfullingen, Günter Neske Verlag, 91990.

  6. Identität und Differenz. Stuttgart, Klett-Cotta, 122002.

  7. Ontologie. (Hermeneutik der Faktizität), Gesamtausgabe, 2. Abteilung: Vorlesungen, Frühe Freiburger Vorlesungen. Frankfurt am Main, Vittorio Klostermann. 1988.

  8. Sein und Zeit. Frankfurt am Main, Vittorio Klostermann. 1977.

  9. Über den Humanismus. Frankfurt am Main, Vittorio Klostermann, 91991.

  10. Wozu Dichter In: Holzwege, Frankfurt am Main, Vittorio Klostermann, 71994.

  11. Zur Seinsfrage. Frankfurt am Main, Vittorio Klostermann. 41977.


Weitere verwendete Texte

  1. Fichte J. G., Die Anweisung zum seligen Leben. Leipzig, Verlag von Felix Meiner, 21920.

  2. Jahraus, Oliver: Martin Heidegger, Eine Einführung, Stuttgart, Reclam. 2004.

  3. Pöggeler, Otto, Heidegger und die hermeneutische Philosophie. Freiburg i.Br., München 1983.

  4. Putnam, Hilary, Die Bedeutung von “Bedeutung”. Herausgeben und übersetzt v. Wolfgang Spohn, Frankfurt/M, Klostermann, 32004.

  5. Rorty, Richard, “Sein, das verstanden werden kann, ist Sprache”. In: “Sein, das verstanden werden kann, ist Sprache” Hommage an Hans-Georg Gadamer, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 2001.

  6. Steiner, Jacob, Rilkes Duineser Elegien. Bern und München, Francke Verlag, 1962.

  7. Wittgenstein, Ludwig: Tractatus logico-philosophicus. Frankfurt am Main, Suhrkamp. 1984.

Lexika

  1. Brockhaus – Die Enzyklopädie in 24 Bänden. Leipzig, Mannheim, Brockhaus, 199820, Band 21. S. 9.

  2. Kindlers Literaturlexikon, Hrsg. Von Walter Killy, Band 13. :Begriffe, Realien, Methoden, München, Bertelsmann Lexikon Verlag, 1992.


1 Rilke, Rainer Maria: Geheimnisvolles Leben, in R. M. Rilke: Gedichte. Hrsg. von Silvia Schlenstedt, Leipzig, Verlag Philipp Reclam jun. 41986, S. 40.

2 Heidegger, Martin: Sein und Zeit. Frankfurt am Main, Vittorio Klostermann. 1977, S. 2.

3 Vgl. zum Problem der Seinsfrage: Heidegger, Martin: Sein und Zeit. Erster Teil der Einleitung: Die Exposition der Frage nach dem Sinn von Sein. Frankfurt am Main, Vittorio Klostermann. 1977, S. 3-56. Eine einleuchtende Auslegung der Heideggerschen Explikation bietet: Jahraus, Oliver: Martin Heidegger. Eine Einführung. Stuttgart, Reclam. 2004, S.187-195.

4 Jahraus (s. Anm. 3.)

5 Denken wir an Ludwig Wittgensteins kategorischen Imperativ der Epistemologie “ Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen” Wittgenstein, Ludwig: Tractatus logico-philosophicus. Frankfurt am Main, Suhrkamp. 1984, S. 85.

6 Heidegger, Martin: Ontologie. (Hermeneutik der Faktizität), Gesamtausgabe, 2. Abteilung: Vorlesungen, Frühe Freiburger Vorlesungen. Frankfurt am Main, Vittorio Klostermann. 1988, S. 21.

7 Heidegger, Martin: Die Sprache. In Unterwegs zur Sprache, Pfullingen, Günter Neske Verlag, 91990, S. 11.

8 Heidegger, Martin: Über den Humanismus. Frankfurt am Main, Vittorio Klostermann. 91991, S. 5.

9 Vgl.: Heidegger, Martin: Das Wesen der Sprache. In Unterwegs zur Sprache, Pfullingen, Verlag Günter Neske, 91990, S. 160-162.)

10 In diesem Fall muss der Begriff des Differenzierens von demjenigen Differenz-Begriff unterschieden werden, welchen Heidegger in seiner Schrift Identität und Differenz verwendet. Dort wird dieser Begriff nicht im epistemologischen Sinn, sonder ontologisch verwendet. Das Verhältnis von Sein und Seiendem wird durch die Differenz bestimmt, aber sie ist keine Distinktion oder Relation. Mit Heideggers eigenen Worten: “Die Differenz

von Sein und Seiendem ist als Unter-Schied von Überkommnis und Ankunft der entbergend-bergende Austrag beider.“ [Heidegger Martin: Identität und Differenz. Stuttgart, Klett-Cotta, 122002, S. 57.]

11 Vgl.: Heidegger, Martin: Die Sprache In: Unterwegs zur Sprache, Pfullingen, Verlag Günter Neske. 91990, S. 263.

12 Vgl: Ebd, S. 266.

13 . Jahraus, Oliver: Martin Heidegger. Eine Einführung. Stuttgart, Reclam. 2004, S.214-220.

14 Zur Frage der ontisch-ontologischen Differenz: Vgl. ebd. S.98-102.

15 Vgl. Heidegger Martin: Identität und Differenz. Stuttgart, Klett-Cotta, 122002.

16 Bei diesem Thema soll es auch auf Platos drei Vergleiche aus dem Dialog “Der Staat” (514a-518b)hingewiesen werden. Die richtige Erkenntnis der Welt ist eben wegen der falschen Einstellung des Menschen der Welt gegenüber unmöglich. Der Mensch hält wegen seiner Begrenztheit das Falsche für wahr. Die Schatten werden als Wirklichkeit angepriesen. Der Mensch braucht jemanden, der ihm die Augen öffnet, indem er ihm die Wirklichkeit zeigt.

17 Pöggeler, Otto, Heidegger und die hermeneutische Philosophie. Freiburg i.Br., München 1983, 1 Kap. 1. Anm.

18 Heidegger, Martin: Zur Seinsfrage. Frankfurt am Main, Vittorio Klostermann. 41977.

19 Heidegger, Martin, Der Feldweg. Bebilderte Sonderausgabe Frankfurt am Main, Vittorio Klostermann. 32002, S. 15.

20 Rilke, Rainer Maria, Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge,Kommentierte Ausgabe. Hrsg. Und komm. von Manfred Engel, Stuttgart, Philipp Reclam – Literatur Studium, 1999.

21 Vgl. zu dem Vergleich der Liebe des Mannes und der Frau :Rilke, Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge S. 112-115.

22 Ebd. S.114.

23 Brockhaus – Die Enzyklopädie in 24 Bänden. Leipzig, Mannheim, Brockhaus, 199820, Band 21. S. 9.

24 Vgl. Rilke, Rainer Maria, Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, Kommentierte Ausgabe. S.114.

25 Rilke, Rainer Maria, Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, Kommentierte Ausgabe. S. 115. Z. 26-32.

26 Vgl. Rilke, Rainer Maria, Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, Kommentierte Ausgabe. Hrsg. Und komm.von Manfred Engel, Stuttgart, Philipp Reclam – Literatur Studium, 1999, S. 86-87.

27 Vgl. Rilke, Rainer Maria, Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, Kommentierte Ausgabe. Hrsg. Und komm.von Manfred Engel, Stuttgart, Philipp Reclam – Literatur Studium, 1999, S. 92-93.

28 Heidegger, Martin, Wozu Dichter?. In Holzwege, Frankfurt am Main, Vittorio Klostermann, 71994, S. 270.

29 Das Bild der im Abgrund hängenden Welt und das der Weltnacht wird von Heidegger konkret mit der Technisierung des menschlichen Lebens in Verbindung gebracht und heftig kritisiert. Die neue Denkweise des Menschen erweist sich immer mehr als Indikator des neuen Abgrund-Zeitalters:

Weil jedoch das heutige Denken immer entschiedener und ausschließlicher zum Rechnen wird, setzt es alle nur bestellbaren Kräfte und ’Interessen’ daran, zu rechnen, wie sich der Mensch demnächst im weltlosen kosmischen Raum einrichten könne. Dieses Denken ist im Begriff, die Erde als Erde preiszugeben. Als Rechnen treibt es mit einer steigenden Geschwindigkeit und Besessenheit der Eroberung des kosmischen Raumes zu. Dieses Denken selber ist schon die Explosion einer Gewalt, die alles ins Nichtige jagen könnte.“

(Heidegger, Martin, Das Wesen der Sprache. In Unterwegs zur Sprache, Pfullingen, Verlag Günter Neske, 19909 S, 189-190.)

Die Frage nach der Technik und nach dem instrumentalisierenden Denken wird in der 10. Elegie behandelt

30 Kindlers Literaturlexikon, Hrsg. Von Walter Killy, Band 13. :Begriffe, Realien, Methoden, München, Bertelsmann Lexikon Verlag. 1992, S. 240)

31 Heidegger, Martin, Wozu Dichter? In Holzwege, Frankfurt am Main, Vittorio Klostermann. 71994, S. 270.

32 (Ebd) S. 272.

33 Heidegger, Martin, Die Sprache, In Unterwegs zur Sprache, Pfullingen, Verlag Günter Neske, 91990, S. 22.)

34 Rorty, Richard, “Sein, das verstanden werden kann, ist Sprache”. in “Sein, das verstanden werden kann, ist Sprache” Hommage an Hans-Georg Gadamer, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 2001, S. 35.

35 Heidegger, Martin, Die Sprache, In Unterwegs zur Sprache, Pfullingen, Verlag Günter Neske, 91990, S. 22. Der Ausdruck “Zueinander“ beschreibt eine Art Identität, oder die Ab-Wesenheit der alles konstituierenden Differenz, wobei jedoch eine vollständige Identität nie entstehen kann.

36 Vgl. Fichte J. G., Die Anweisung zum seligen Leben, Leipzig, Verlag von Felix Meiner, 21920, S. 91.

37Vgl. Heidegger, Martin, Die Sprache, In Unterwegs zur Sprache, Pfullingen, Verlag Günter Neske, 91990, S. 20-29.

38 Vgl. Spohn, Wolfgang, Einleitung zu Hilary Putnams Die Bedeutung von “Bedeutung”, Putnam versucht in seinem Aufsatz für die Bestimmung der Bedeutung von den Wörtern eine von Theorien unabhängige Erklärung zu geben, wobei es natürlich fraglich bleibt, wie seine Bemühungen betrachtet werden sollen? (Putnam-Theorie?), Frankfurt/M, Klostermann, 32004, S. 7-19.

39 Vgl. Putnam, Hilary, Die Bedeutung von “Bedeutung”, Herausgeben und übersetzt v. Wolfgang Spohn, Frankfurt/M, Klostermann, 32004, S. 90 f.

40 Vgl. Heidegger, Martin, Das Wesen der Sprache, In Unterwegs zur Sprache, Pfullingen, Verlag Günter Neske 19909, S. 160.

41 Vgl zu “Ereignis”, Jahraus, Oliver: Martin Heidegger. Eine Einführung. Stuttgart, Reclam, 2004, S.208-209.

42 Brief an Witold Hulewicz am 13. Nov. 1925, in Briefe in drei Bänden, hrsg von Karl Altheim, Frankfurt am main, Insel Verlag, 1987, S. 898.

43 Heidegger, Martin, Der Ursprung des Kunstwerks, In Holzwege, Frankfurt am Main, Vittorio Klostermann. 71994, S. 43.

44 Vgl. Jahraus, Oliver: Martin Heidegger. Eine Einführung. Stuttgart, Reclam, 2004, S. 92-97. Jahraus analysiert sehr eindringlich die hermeneutische Fragestruktur, und zeigt dass die Zirkularität in der Deutung des Seins von vornherein inhärent ist.

45 Heidegger, Martin: Das Wesen der Sprache. In Unterwegs zur Sprache, Pfullingen, Verlag Günter Neske, 91990, S. 169.