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EPIGON No.1
 

"Landauf und landab läßt sich derzeit nämlich beobachten, daß die Ostkunst auf dem Vormarsch ist, begleitet von einem schier grenzenlosen Wohlwollen, wie es im allgemeinen nur für das Müttergenesungswerk oder die SOS-Kinderdörfer erwartet werden kann. Kunstkritik und Kunsthandel scheinen gemeinsame Sache zu machen. Was zählt, ist offensichtlich die Herkunft, nicht die Qualität ... Vom knallroten Sonnenuntergang, also Kaufhaus-Art effektvollster Prägung, bis zur vermeintlich avantgarde-orientierten Spontanmalerei gibt's alles, was EPIGONEN  auf die Leinwand bringen. So fehlt in diesem Ostreigen westlichen Geschmacks kein Stil, kaum eine Handschrift. ... Jedenfalls sind solche dünnen Aufgüsse westlicher Abstammung wenig anregend, sie sind überflüssig."

(Kunstforum, Bd.97, 1988, S.336-337)


"Miklós Erdély: Ich würde gerne die nicht allzuschöne Resonanz auf diesen schönen Vortrag ergänzen. Und zwar kommt alles, was im Westen zu sehen ist, schließlich auch in Ungarn mit zweimonatiger Verspätung - was sehr gut ist - an. Dies wird dann als Epigonismus abgestempelt. Ich halte das für ganz falsch, denn ein richtiger Künstler darf wirklich jede Inspiration aufgreifen. Wenn etwas auf ihn wirkt, soll es ruhig wirken. Wenn er etwas nachmachen will, bis er daran zugrunde geht, kann er das auch tun.
Ein Zwischenruf: Beispielsweise war Perugino gegenüber sogar Raffael ein Epigone ...
Miklós Erdély: So gesehen gab es sehr viele. Zum Beispiel wollte Mussorgskij ganz besessen Wagner nachahmen und wurde dabei ganz unverwechselbar. Kurz und gut, der Künstler hat ein Recht dazu. Aber das kann nicht als allgemeines künstlerisches Programm gelten. Es sind immer Einzelfälle, persönliche Geschichten und die Momente, in denen man auf Kunst trifft. Entweder ergibt sich daraus eine Inspiration oder nicht ..."

(Artpool Letter, Nr.1, 1983, S.28-29)
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Auf der ersten Ausstellung stellten 52 Künstler aus (von Adám bis Wéber). Es waren sehr viele verschiedene Ansätze zum Epigonen-Thema vertreten - von alten, aus der Schublade gezogenen Arbeiten bis zu ideenreichen Paraphrasen und Definitionen, die speziell zu diesem Anlaß entstanden waren. ... Deshalb greifen wir an dieser Stelle einige Gedanken aus dem Aufruf zur ersten Ausstellung wieder auf ... und bieten mit der Epigonen-Zeitung ein Forum, um theoretische und interpretative Fragen aufzuwerfen. ...

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Tibor Várnagy:
AUFRUF ZUR ERSTEN ZEITGENÖSSISCHEN
EPIGONEN-AUSSTELLUNG
Erste Zeitgenössische Ungarische
Epigonen-Ausstellung
Liget Galerie, Budapest
24.4.1992 - 8.5.1992

"Der ERSTE bahnt den Weg im Dschungel, einsam und in hartem Ringen. Die EPIGONEN folgen ihm auf dem Touristenpfad, leichtfüßig und pfeifend. Ist das vielleicht eine saubere Sache? Aber wenn sie nicht kämen, würde der Dschungel den ERSTEN samt seinem Weg wieder überwuchern." (nach Zsigmond Károlyi)

Obwohl wir uns heutzutage einzelnen Kunstwerken wie individuellen Offenbarungen nähern, wissen wir doch, daß Werke im Grunde gemeinschaftlich, kollektiv sind. Die Fachwissenschaft beschäftigt sich mit Vorliebe damit, in einzelnen Arbeiten nachzuweisen, aus was sie nicht allem zusammengesetzt sind und was gerade nicht Erfindungen des Autors waren. Gewürzt wird all das mit Nachweisen darüber, wer auf wen Einfluß genommen hatte und so weiter. Wenn wir demnach die Kunst nicht als ein Endergebnis, sondern als Werkstatt betrachten, sehen wir, daß jede Arbeit eine mehr oder weniger versteckte Paraphrase, Adaption, Variation eines schon bestehenden Werks ist. Die Kunst ist entsprechend nichts anderes, als das gleiche Bestreben und die Versuche einer gegebenen Gemeinschaft, in ihren Arbeiten immer wieder aufs Neue den eigenen Kunstbegriff zu definieren, zu erweitern und einzugrenzen.

Unsere Idee einer EPIGONEN-AUSSTELLUNG legt den Schwerpunkt nicht auf Endergebnisse und auch nicht auf individuelle Aspekte von Einzelwerken, sondern auf Entstehungsprozesse, auf die im Hintergrund entscheidende "gemeinsame" Arbeit. Wir möchten zeigen, wie und worüber unsere Künstler nachdenken - insgesamt oder im einzelnen, auf alle Fälle jedoch parallel - und wie sie dementsprechend aufeinander wirken.

Für die Zeit dieser Ausstellung setzen wir Urheberrechte in Klammern und pfeifen auf Fragen des geistigen Eigentums. Wir wollen nicht herausbekommen, wer irgendetwas erfunden oder zuerst gemacht hat, wer der Meister und wer Schüler war, sondern welche Beziehungen im Hintergrund wirksam sind.

Auf der EPIGONEN-AUSSTELLUNG werden ungeachtet des Mediums solche Arbeiten und Dokumentationsmaterialien zu sehen sein, die aufgrund ihrer Entstehung und Erscheinung von ihren Autoren nicht in Gänze als ihre "eigenen" angesehen werden.


Miklós Peternák: Epigonismus (Farbfoto), 1986-92

Miklós Peternák zitiert in einem Artikel (erschienen in: Nappali Ház, Jg.IV, Nr.2, 1992) aus Dr.László Neumanns "Bildfehler": "Jedes Bild geben wir mit einer Zahlenreihe wieder. Ein Bildpunkt soll durch einen Farbton K gekennzeichnet werden, und das Bild soll aus L Bildpunkten bestehen. Dann ist die Gesamtzahl der Bilder, die erscheinen können, K L. Wenn man als konkretes Beispiel einen Bildmonitor mit 1000 x 1000 Bildpunkten nimmt, auf dem man pro Bildpunkt 24 bit, das sind 2 24 Farbtöne, einstellen kann, bedeutet dies, daß die Anzahl der möglichen Bilder die einmillionste Potenz von 16777216 ist. Bei einer solchen Auflösung ist das also die Zahl der Bilder, die erzielt werden kann. Es ist eine  ungeheuer große Zahl, aber ein endlicher Wert. Eingeschlossen sind alle nur möglichen Werke der Malerei, Fotografie und Computergrafik, jedes Abbild aller erdenklichen Gegenstände, alle nur möglichen gedruckten Texte usw. auf der Ebene der gegebenen Auflösungskapazität. Das bedeutet, es bestehen die prinzipiellen Voraussetzungen dafür, um vor dem eigentlichen Kunstgegenstand die Reproduktion entstehen zu lassen, oder daß wir Werke, die mit der Zeit untergegangen oder nie entstanden sind, kennenlernen könnten, oder daß jeder alle existenten und nicht existenten Bilder mit seiner eigenen Unterschrift versehen anschauen könnte und so weiter."

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Monika Wucher:
KOMMUNIKATIVE REPRODUKTION.
Anläßlich der Ersten Zeitgenössischen Epigonen-Ausstellung.
 

Soll man über eine Ausstellung schreiben, ohne sie gesehen zu haben? Dem Gläubigen objektiver Sachverhalte wird ein solches Vorhaben absurd erscheinen. Ihm gilt Augenzeugenschaft als Voraussetzung für wahrheitsgetreue Übermittlung. Und ein persönliches Statement darf sich nur erlauben, wer die Aura der Werke spürt, womöglich heimlich - hinter dem Rücken der Aufsicht - das Material berührt. Die Sehnsucht bleibt unbestritten, wichtige Kunstwerke an ihrem Präsentationsort aufzusuchen. Begeisterte Teilhaber am Flair der Authentizität besiegeln das Original
und dessen Bedeutung. Allein diese dingliche Verbindung aufzunehmen, diese handgreifliche Nähe herzustellen, hemmen häufig genauso materielle Gründe. Als wirklich am Kunstdiskurs Interessierter begnügt man sich dann mit dem Gang in die Bibliothek und mit dem Katalog zur Ausstellung.

Ausstellungen an der Basis des aktuellen Kunstgeschehens sind auf diesem Wege jedoch kaum zugänglich. An diesem Punkt wird die Bedeutung der verbalen Kommunikation evident, besonders der Erzählung, des Berichts, des Gesprächs. Einer erzählt, was und wie er etwas gesehen hat, die anderen nehmen es so oder so (für) wahr. Die ersten Schritte der Rezeption geschehen ausschließlich in einem sozialen Geflecht.

Ich habe in Hamburg vor einigen Monaten von einer Ausstellung gehört, die im Frühjahr oder Sommer '92 in der Budapester Liget Galerie stattfand. Künstler, die daran teilgenommen hatten und kurz darauf in Hamburg innerhalb der Ausstellungsreihe der PBK ihre Arbeit vorstellten, erzählten mir davon. Später sah ich die Fotokopien von Abbildungen einiger Ausstellungsstücke. So entwickelte sich in mir eine Vorstellung von dem Ereignis. Die darin enthaltene Idee einer konstruktiven Auffassung von Epigonalität gefiel mir. Sie war so vielschichtig, daß sie eine ganze Reihe von Assoziationen und Diskussionen mit sich transportierte. Besonders auffällig war die offene Struktur und die wiederaufgenommene Idee einer Ausstellung ohne Jury oder deren Personalunion als Kunstmanager oder Kurator. Ein weithin zugänglicher Aufruf verbreitete die Intentionen: "die Epigonen-Ausstellung legt den Schwerpunkt nicht auf individuelle Aspekte von Einzelwerken, sondern auf Entstehungsprozesse, auf die im Hintergrund entscheidende >gemeinsame< Arbeit". Mich beschäftigte diese Reflektion von Bezüglichkeiten, die Thematisierung von Bildkräften außerhalb monographischer Kategorien, die aktive und selbstbestimmte Herstellung von Zusammenhängen. Ich sprach mit einigen Freunden darüber, vervielfältigte die Fotokopien und
übersetzte den Aufruf ins Deutsche. Genau zu dem geschichtlichen Zeitpunkt, als die Fotografie die Werte der Kunst infragezustellen begann, tauchte der Epigonenbegriff gegenüber dem Originalitätsbegriff auf. Was verbindet Epigonentum und Reproduktion? "Das reproduzierte Kunstwerk wird in immer steigendem Maße
die Reproduktion eines auf Reproduzierbarkeit angelegten Kunstwerks", schreibt Walter Benjamin. In epigonalen Werken ist die Frage nach der Reflektion und den Komponenten dieses Reproduktionsprozesses angelegt.

Bildliche Reproduktionen foto- und elektrotechnischer Art sind der mächtigste Teil der Kommunikation über Kunst. Sie werden überwiegend deskriptiv eingesetzt. Sie ersetzen nicht nur das Original, sondern bilden eigene kulturelle Formen aus. Denn auch die bildliche Reproduktion ist an haptische Dinglichkeit, an beharrliche symbolische Formen und teilweise erheblichen Materialaufwand gebunden. Platzierung, Ambiente, Design, Materialwahl, Mode, Anwendungsformen, Handlungszusammenhänge, Nutzungsstrukturen sind die eigentlichen Bedeutungsträger und die Elemente, durch die sich die soziale Realität der Reproduktion ausbildet. Die Aura verschiebt sich von der Vorlage auf das Gehäuse (die Präsentation) der Reproduktion.

Verbale Reproduktion ist maßgeblich und konskriptiv am Entstehen von Kunst beteiligt. In kulturellen Zusammenhängen, die nicht ausschließlich auf bildliche Repräsentationen bauen, kann dies besonders augenfällig werden. Die Facetten mündlicher Wiedergabe formen sich in Abhängigkeit zu den jeweiligen Gesprächspartnern. Sie können sich zu gemeinsamen Bewertungen und parallelen
Intentionen steigern. Die daraus resultierenden Kunstwerke sind nicht Endprodukte, sondern Teile der Kommunikationsstruktur. Sie geben Mitteilungen über das, was der Kontext ist.

Epigonen sind informiert, reagieren schnell, breiten sich aus.

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ANHALTSPUNKTE

1. Das ausgestellte Material soll die zeitgenössischen ungarischen Verhältnisse vorstellen oder Arbeiten von ausstellenden Künstlern mit Arbeiten von gegenwärtig arbeitenden Künstlern verbinden.
2. Von den einzelnen Künstlern sollen möglichst mehrere Arbeiten zu sehen sein.
3. Je mehr Arbeiten für diesen speziellen Anlaß, diese besondere Situation, entstehen und Gruppenarbeiten oder Gemeinschaftsarbeiten mehrerer Künstler sind, umso besser.
4. Über das Forum der Epigonen-Zeitung besteht die Möglichkeit, gemeinsame Projekte zu formulieren.
5. Wir legen Wert darauf, daß möglichst viele Künstler ihre Arbeit vor Ort realisieren und vorstellen. Für Fahrt und Unterkunft wird gesorgt.

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Balázs Beöthy

Es ist festzustellen - ohne etwa in eine speziellere Debatte über Stil und Auffassung abzuschweifen -, daß ein neues Medium in der Kunst aufgetaucht ist, das als eine Art Vertreter der Kunstgegenstände fungiert. Es ist das Portfolio.

Heutzutage ist es fast unmöglich, einen Künstler anzutreffen, der nicht über ein solches Mäppchen als mehr oder weniger aktuelle Dokumentation seiner Tätigkeit verfügt. Maler und Bildhauer gleichermaßen besitzen solche Portfolios. Besondere Bedeutung erlangen sie bei Künstlern, die orts- und zeitspezifisch arbeiten. Jedoch ist es ein allgemein feststellbares Phänomen, daß eine solche Art der Dokumentation nicht dazu taugt, ein Werk gänzlich zu repräsentieren - das heißt in seiner Einzigartigkeit, seinen Originalfarben, Formen und Dimensionen. Meistens gelingt es nur mit erklärenden Worten oder Beschriftungen, annähernde Informationen über die Arbeiten zu vermitteln. Nach all dem fällt es nicht schwer, die Dokumentation als Epigone von Kunstwerken aufzufassen (oder synonym als Adaption, Interpretation, Paraphrase usw.).

In der Halle der Vereinigung "Studio Junger Künstler" ist ein langer Tisch zu sehen, der parallel gleich mehrere Funktionen erfüllt:
- hier finden Jurierungen zu Stipendiumsbewerbungen (u.a.) statt.
- hier lesen alle die Zeitungen, hier werden Einladungskarten und Ankündigungen ausgelegt.
- als Eßtisch bietet er Platz für verschiedene Essensreste und Geschirr.
- wegen mehrerer Aschenbecher ist er mit Asche und Kippen übersäht.
Da er die genannten Funktionen parallel und gleichzeitig erfüllt, entsteht auf der Oberfläche ein Ensemble aus Mappen, Zeitungen, Einladungen, Tellern, Speiseresten, Aschenbechern. Dies kann jenen unausgesprochenen Anflug von Unsicherheit getreu übermitteln, den das Durchblättern der Portfolios (aufgrund der Aktualisierung der Diskrepanz zwischen Werk und Dokument) verursacht.
 

 Balázs Beöthy
 Multifunktionaler Tisch
 Portfolios, Essensreste, Zeitung, Flugblätter
 100x240x80 cm
 (Eigentum des Studios Junger Künstler, Budapest)

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Die Namensliste zeigt an, wem wir die erste Nummer der Epigonen-Zeitung zugeschickt haben. Sie gibt größtenteils die Namen derjenigen wieder, die an der ersten Ausstellung teilnahmen. Selbstverständlich haben alle das Recht, auch andere in die Sache mithineinzuziehen. Vorschläge (Texte, Projekte, Entwürfe, Abbildungen) von Künstlern, die sich an der zweiten Ausstellung beteiligen, sollen an die Redaktion geschickt werden. Wir versuchen, alle auftauchenden Ideen für sämtliche Teilnehmer zugänglich, dikutierbar und modifizierbar zu machen.

EPIGON No.2
 

 János Kósa:
 Das Schweigen von Stewart Home kann nicht überbewertet werden

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elek is

Der Epigone ist für mich auch eine literaturwissenschaftliche Kategorie. Und zwar geradezu eine an ein bestimmtes Zeitalter gebundene. Denn außer Petöfi-Epigonen gibt es keine allgemein bekannten Epigonen-Subjekte. Vielleicht waren noch Illyés und László Nagy Epigonen Kazinczy gegenüber, dem Dichterfürsten für alles und jedes.

Bei den bildenden Künstlern würde dies etwa bedeuten, Maler der Nagybányaer Schule oder der Vásárhelyer Schule zu sein, dem Sozreal verpflichtet zu sein oder langhalsige Skulpturen zu machen.

Bei den Rockmusikern, ja gerade bei ihnen, wimmelte es nur so von Epigonen.
Epigonen und Modebewußtsein. Mode und Publikumsansprüche. Das Publikum als Epigone. Ja genau, das ist's. Das Publikum will zwar nicht etwas "Spezielles", aber es will es "auf eine spezielle Art". Es will nicht ein spezielles Publikum sein, sondern ein Publikum, dem es "genau so ergangen ist".

/Zu den Epigonen ist mir auch noch eingefallen, daß derjenige, der die Bibliothek von Alexandrien angezündet hat, sich sicher sein konnte, daß er wirklich nicht nachgeahmt werden kann. Denn dazu müßte man dieses Büchermagazin wieder aufbauen.

Also, aufgeht's. Bauen wir es auf, oder etwas anderes. Oder bauen wir ein Tränenmagazin auf. Sagen wir, das Tränenmagazin von Alexandrien. Nur kann das wohl nicht ins Deutsche übersetzt werden. Pech, daß sie nicht ungarisch können. Dann würden wir dieses Tränenmagazin anzünden./

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St. Auby Tamás: Autokatalyse
...
In Ungarn* kam schon 1973 (nach einigen anderen früheren Versuchen) eines der grundlegenden Werke des Epigonismus zustande. ... Es war eine Gemeinschaftsarbeit von Miklós Erdély, György Jovánovics und János Major. Ein Ready-made. (Ein Mantel). Sein Titel: Der Mantel von János Major, Entstehungsjahr 1973, ausgestellt im gleichen Jahr in der Kapelle von Balatonboglár.

Zur Zeit der Neo-Avantgarde war der Begriff des "Neuen" innerhalb der Kunst der zentrale Punkt des öffentlichen Interesses. Das Spektrum bewegte sich zwischen den beiden Grundbedingungen "Veränderung" und "Entwicklung". Die Aktionen kristallisierten sich überwiegend aus Feststellungen heraus wie: "Veränderung" ist nur in Richtung "Entwicklung" möglich; das "Neue" kann sich nicht auf Quantität beziehen; das sich nicht erneuernde Element der gleichmäßig beschleunigten Bewegung ist
die Gleichmäßigkeit; der Ausdruck "neue Qualität" oder "qualitative Veränderung" ist tautologisch; das "neue" ist eine Aktualisierung des "Ewigen" usw. Aus all dem wurde wahrscheinlich die richtige Schlußfolgerung durch die Bezeichnung "Ästhetiken der Revolution" gezogen.

Das "Neue" erscheint notwendigerweise auf dem Grenzgebiet, das Kunst von Nicht-Kunst scheidet. Dadurch wird es mit dem Verbotenen sowohl im ästhetischen als auch im juristischen Sinn konfrontiert. Die Nicht-Kunst fürchtet um das Fortbestehen ihrer eigenen nicht-ästhetischen Welt - man kann sagen zurecht, eben wegen ihrer Ästhetik. Deshalb greift sie unter Berufung auf das kulturpolitische Recht diktatorisch auf das Gebiet des Ästhetischen über, indem sie die genannte Grenze zu Ungunsten der Kunst enger zieht als dies in einem nicht-diktatorischen System der Fall wäre. Gleichzeitig wird von den ästhetischen Konventionen selbst, da sie dem Bestehenden dienen, die Grenze des allgemeinen ästhetischen Bewußtseins blockiert. Das "Neue" entsteht, funktioniert und verbreitet sich zwischen diesen beiden Fronten in einem Niemandsland auf vier Ebenen, wie wir im folgenden sehen werden.

Das Ready-made ist eine revolutionäre Errungenschaft des Dada. Obwohl Lenin mit seiner Frau sich über der stinkenden Küche des Cabaret Voltaire ein Zimmer gemietet hatte und laut der Schach-Rekonstruktion von Jovánovics sogar mit Tzara im Cabaret spielte, ordneten seine Nachfolger fälschlicherweise den Dadaismus in die entartete bourgeoise Kunstgeschichte ein. Auf der ersten Ebene geriet deshalb der Mantel von János Major sofort in Konfrontation zu der bestehenden Macht und dem Verbotenen im juristischen Sinn, indem seine eigene konstitutive Ordnung und Absicht mißverstanden und mißinterpretiert wurde. Der dadaistische ready-made
Mantel fiel damit - wohlgemerkt im Jahre 1973, also mehrere Jahrzehnte nach dem Erscheinen der ersten Ready-mades - aus dem von der Nicht-Kunst für die Kunst abgezirkelten Gebiet heraus. Das heißt, er wurde ein Fall innerhalb der Welt des Führungsstabs ungarischer* Kunstinstitutionen, der Kritiker, Staatskünstler, Journalisten, Polizisten, Spione und Minister. Sie wußten nicht, um was es
eigentlich geht. Aber sie wußten, daß etwas im argen ist, denn was geschehen ist, ist irreversibel. ...
Es ist kein Wunder, daß sie fast in Ohnmacht fielen. Aber das Beste kam erst noch. Die Dreier-Bande gab scheinheilig keinen Ton von sich. Sie hängten schlicht den Mantel in der Kapelle auf, besser gesagt: sie hängten ihn in die Geschichte der Kunst hinein - und traten dann beiseite. ...
Das wesentliche dieser Aktion zeigt sich aber nicht darin, daß der Mantel von János Major als gesellschaftliches Tabu an der Wand der Kapelle hängt, sondern daß er als ästhetisches Tabu im Kontext der Kunst verankert ist. Denn er führt das im künstlerischen Sinn verbotene "Nicht-Neue" vor. Die Konfrontation ergibt sich auf der ersten Ebene wegen der Unvereinbarkeit mit dem bürgerlichen Recht, auf der zweiten Ebene wegen des ästhetischen Konservativismus, auf der dritten Ebene wegen der "Traditionen" der Neo-Avantgarde und auf der vierten Ebene wegen eines viel
umfassenderen Verbots: Das Werk wendet sich gegen den modernen Mythos eines ganzen Kulturkreises, sogar der gesamten weißen Zivilisation. Denn es "entwickelt" ein "Nicht-Neues", in diesem Fall ein schon vorhandenes Werk oder die Wiederholung seiner ehemals "neuen" ästhetischen Kategorie, letztendlich aber den Epigonismus und sogar das Plagiat als Wert. Das heißt, das "Neue" wird so definiert, daß es den Entwicklungsgedanken gerade nicht wiederholt. Der Mantel von János Major erscheint über das Ready-made nicht nur "erneut" im Bereich der Nicht-Kunst, sondern erweitert auch den Bereich der Kunst mittels des Paradoxons, wonach das "Neue" "nicht-neu", aber das "Nicht-Neue" "neu" ist. Und zwar dann, wenn dies bereits eine sich ständig "erneuernde" Selbsterfüllung bedeutet, wenn das zum Gesetz gewordene "Neue" zu einer quantitativen, gesetzlichen Überwindung des Gesetzes wurde. Denn innerhalb der Veränderung wurde die Veränderung selbst zur Konstanten. Selbsterneuerung ist im Gegensatz zu diesem Gesetz und in Ergänzung dieses Gesetzes mit einem "neuen" Gesetz demnach einzig und allein durch bewußte Selbstwiederholung möglich. Eben dieses Bewußtsein, das Qualität auf Quantität bezieht, ist bislang noch nicht zum Vorschein getreten. Wenn die Veränderung - im Blick auf sich selbst erhebt sie sich auf die Ebene des eigenen Selbstbewußtseins - sich so in Nicht-Veränderung verkörpert, daß sie kein Verändertes, kein neugruppiertes Vorhandenes, kein "Neues", sondern die
Veränderung als solche einführt, dann tritt ihre Natur, ihre Logik, ihr Geist zum Vorschein, gleichsam eingefroren ins eigene Spiegelbild. Der alles überziehende mythische Befehl des "Neuen" konfrontierte sich mit sich selbst und überwand diese Situation unter Erkenntnis seinerselbst.
Die Aktion ergab sich aus der Logik dieses Mythos selbst; die Autoren materialisierten "lediglich" die logikgemäße Idee, die unumgängliche Konsequenz.

Der Mantel von János Major wurde als archimedischer Punkt nicht erfunden, um die Geschichte der Kunst aus ihren Winkeln hervorzulocken, sondern um sie beschleunigt fortzusetzen. Ein Werk durch die bewußte Wiederholung eines anderen Werks zustandezubringen in der Absicht, Bewußtsein zu demonstrieren, machte es notwendig, daß sie es zu mehreren taten. (So beinhaltet die Entstehung des Werks schon in sich die Wiederholung - die Autoren wiederholen sich gleichzeitig auch gegenseitig -, dabei ist auch der Begriff vom kollektiven Werk keine Neuheit). Damit kommt gleichzeitig zum
Ausdruck, daß diese Tat, die bereits nicht mehr das Material, sondern den Geist formt (wie es bereits im Falle des Ready-mades die Errungenschaft war), notwendigerweise keine lediglich räumlich und zeitlich isolierte, individuelle Position darstellt, sondern sich aktuell auf die geistige Bewegung des kollektiven Ganzen und auf den Mythos bezieht. Das "Nicht-Neue" hat sich vom Gesetz gelöst, ist "neu" geworden, entsprechend dem Gesetz.

Diese Bewegung wird in der reinen Geschichte und synthetisiert im Logos der eigenen, autonomen, vollkommen unabhängigen, inneren Wirklichkeit der Kunst als Maß für die Entwicklung des freien menschlichen Willens zum Modell für das Reich der Freiheit.

Das TNPU-Kommando** ... schlägt im Zeichen der Autokatalyse folgendes Werk vor:
1. Das Werk mit dem Titel: der Mantel von János Major wird ausgestellt. Jedes Mitglied des Kommandos plaziert in den Räumen von KX an vor Ort festgelegten Punkten jeweils einen Mantel und signiert ihn. (Das Kommando besteht aus denjenigen Personen, die an der Aktion teilnehmen möchten).
2. Während der Ausstellung auf KX und/oder (auch) auf anderen Ausstellungen signieren die Mitglieder des Kommandos (auch) Arbeiten von Anderen mit ihrem eigenen (mit einem fremden)
Namen.

* Der Autor spielt mit der Weglassung des ersten Buchstabens bei Magyarország, wodurch aus
Ungarn "Reißzahnland" wird. (Anm. d. Übersetzerin)
** Telekommunikáció Nemzetközi Paralel Uniója (Kommando der International-parallelen Union
für Telekommunikation, Anm. d. Übersetzerin)

 Genealogie des Mantels von János Major:

 Die Inkonsequenten
 Marcel Duchamp
 George Brecht
 Jovánovics, Erdély, Major
 INPUT
 Kommando
 

 Miklós Erdély, György Jovánovics, János Major:
 Der Mantel von János Major

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János Sugár: Der Epigonen-Automat

Wer lacht zuletzt? Dem unverhofft unterbrochenen Zielbewußtsein ist nur das ein leiser Trost, daß sich die Tatsache, unterbrochen zu werden, bei jedem einmal einstellt. Wenn Einer am Ende ist, lacht natürlich immer ein Anderer. Einmal wird jeder Lacher zu etwas anderem, und das wird dann von der Lach-Vereinigung der Anderen, die sich Endlosigkeit erhoffen, weltweit ausposaunt. Die Mitglieder des Chors wechseln, aber das Schallen des Lachens bleibt beständig. Der Prozeß, in dem sich im einzelnen das Ende einstellt, kann nicht unterbrochen werden, er ist anders ausgedrückt unendlich. Jeder bekommt die Gelegenheit, sich über jemanden lustig zu machen, aber er muß
wissen, daß man auch über ihn einmal lachen wird. Dies ist sicher, kann jedoch nicht überprüft werden, denn dieses Lachen hört der Ausgelachte nicht. Derjenige, der nicht gemeinsam mit dem Chor lachen kann, glaubt, daß über ihn gelacht wird. Der Chor der Lebenden lacht über sich selbst.

 János Sugár:
 Der Augenblick, vor dem keine Beschäftigung mit Physik möglich ist


EPIGON No. 3

Csaba Nemes: Sensus communis

Im Sommer dieses Jahres entwarf ich auf die Anfrage von J.S. ein Plakat für seinen neuen Film unter Verwendung eines vorgegebenen "Slogans" (Sensus Communis). Das Plakat wird erwartungsgemäß im Hintergrund eines Schauspielers im Film zu sehen sein. Ich fertigte zwei Versionen an. Bei der einen spielt ein Werk von Bertrand Lavier eine Rolle und direkt daneben eine von der Idee her zum Verwechseln ähnliche Electrolux-Annonce. Aus Mangel an dem entsprechenden Kommentar kann ein Gleichheitszeichen zwischen die beiden gesetzt werden.
 Die Kolonisierung der durch die Kunst abdeckbaren Gebiete wurde vollzogen. Bertrand Lavier oder Elektrolux ist keine Frage mehr.


Bei meiner anderen Version ist ein französisches Monoskop aus den fünfziger Jahren zu sehen. (Auch bei den Franzosen gab es die fünfziger Jahre). Es war ungefähr zu dem Zeitpunkt entstanden, als die Hersteller von Monoskopen (die "Epigonen") noch keine glaubwürdige Form für das Monoskop gefunden hatten, und so rangen sie mit allen möglichen Vorbildern.
 Jedoch ließen sie weder das Fernsehpublikum noch Monet außer acht. Hinter ein fein abgestuftes Diagramm, das zur perfekten Einstellung des Fernsehstreifens notwendig ist, wurde das Bild eines an einem Ufer sitzenden Paares eingeblendet. (Im Hintergrund befindet sich ein Boot mit Ruderern).

Von beiden Versionen fertigte ich Schwarz-Weiß-Kopien im Format A 0 an, die wiederum die Prototypen für die weitere Vervielfältigung bilden.

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Rudolf Pacsika

Das Hauptelement meiner Installation bildet das Werk "Treue" von Miklós Erdély. Es stellt eine der frappierenden Lösungen zum Problem des Plagiats, der Andersartigkeit, der Kopie, der Nachahmung, der Wirklichkeitstreue und zum Thema des platonischen Kunstwerk-Charakters dar. Das ursprüngliche Werk ist ein weißer Stock (Blindenstock), der an die Wand angelehnt ist und mit seinem Gewicht ein blaues Pauspapier und ein weißes Blatt an die Wand preßt.

Meine Installation besteht aus zwei Schultafeln, wobei auf der einen für eine Zeichnung die Kreide traditionell (wie in der Schule) benutzt wurde. Das heißt Konturen, Schattierungen, Tonalitäten lassen uns das negative Bild als Wahrheit auffassen.

Auf der zweiten Tafel befindet sich das Negativ dieses Negativs, dessen Positivität durch den schwarzen Stock, der an die Tafel gelehnt ist, infrage gestellt wird. ... Ist der schwarze Stock das Negativ des weißen? Aber wenn er negativ ist, was ist dann die Tafel hinter ihm? Ist die darauf befindliche Zeichnung das Negativ des negativen Negativs? ...

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Gyula Várnai

Ich verheimliche möglichst, daß ich geklaut habe. Man muß es hemmungslos solange von sich weisen, bis der Betrachter glaubt, ein Original zu sehen. Und dennoch! Diese Welt ist nicht einmal für Epigonen gemacht. Dabei könnten unsere Nachfolger, unsere Epigonen uns sogar tausendmal mehr lehren als unsere Meister, wenn es uns die Lebensdauer erlauben würde, ihre Arbeiten zu sehen. Ist dies nicht göttliches Schmiedewerk, ins harte Holz geträumt?

Was ist es denn letztendlich, was wir entdeckt haben: vielleicht erfahren wir es nie. Auch heutzutage ist es schwer bei einer Sache zu entscheiden, bis wohin bei ihr die Vorgeschichte dauert und von wo an sie autonom ist.

Womit unsere Zeit wohl Ersatz für die wunderbaren Dinge der Vergangenheit schaffen möchte - für die ausgedehnten Festmahle, die spätnachmittäglichen Rendezvous, ihre gefälligen Diskriminierungen, die graziösen Manieren, das kostenlose Zurechtschleifen der Sinne? Ich weiß es nicht.

Aber soll doch die Kunst für uns eine Kunst des Zusammentreffens von Pflaster und weißem Blindenstock sein, eine Kunst des absoluten Dialogs.

*

Attila Szücs: Ein noch ähnlicherer Fluß

Im Alltagsleben haben innerhalb der üblichen logischen Organisationsstrukturen Äußerungen, wie folgende, keinen Sinn: "Es war schon alles da, bevor es dagewesen wäre"*. Aber wäre nicht auch eine andersartige, eine anders organisierte, eine in der Zeit anders pulsierende Logik möglich? Mag sein, daß der "Dunkle" Heraklit es doch anders meinte, und sein besagter Fluß nur BEINAHE das gleiche bedeutet?
Ist es gemäß der inversen Logik der EPIGNOSIS möglich, in Sprüngen zu denken? Insofern dies zutrifft, wäre es möglich, diese logische Struktur in den Bereich der konkreten Erfahrungen zu heben? Und würde die Richtung der Energie, die aus dieser Erfahrung entspringt, "vorwärts" gerichtet sein, oder rückwirkend auf sich selbst eher das Modell für den klassischen Fall des mit seiner Mutter schlafenden Jungen abgeben?
Oder löst sie sich von ihrem himmlischen Ebenbild, indem sie ihr eigentliches Selbst ins Auge faßt und thematisiert? Kann es sein, daß unser Identitätsbewußtsein, das von der Mauer der Zeit als Echo zurückgeworfen wird, unendlich widerhallt?

*  Zitat nach Géza Ipacs

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Elek Is
...
Ich möcht folgendes bestellen: 2 Leute mit geschickten Händen könnten auf meinen Hintern mein Gesicht malen und auf mein Gesicht meinen Hintern. Das wäre keine hohle Witzelei, schließlich wißt ja auch ihr, daß ich oftmals ein Arschgesicht bin. Jedoch ist häufig sogar noch in meinem Arsch Verstand, wie auch folgendes Gedicht sagt:

Ganz sicher, daß mein Hintern der Epigone meines Kopfs ist, häufig und umgekehrt auch. Bei der Verwirklichung meiner Bestellung würde das sichtbar werden, was ihr
ansonsten nur wissen könnt.
 

EPIGON No. 4

Attila Menesi: Gegebenheiten / 1

Nähte in Stellwänden und Hängeflächen sollen mit Klebeband abgedeckt werden. Die Wände sind zwar gestrichen, aber beschmutzt. Sie müssen nochmals mit einer Farbschicht überzogen werden. Es empfiehlt sich, dies mit der Rolle zu tun. Die Klebestreifen brauchen mindestens einen doppelten Anstrich mit dem Pinsel. Sobald die Stellwände an ihrer richtigen Position stehen, beginnt einer, sie zu streichen. Ein anderer klebt derweilen, nicht wahr, und der Dritte beginnt, das Klebeband
überzustreichen. Nach der ersten Zigarettenpause kann die Arbeit anders verteilt werden. Zu zweit oder dritt reicht uns ein Pinsel.

EPIGON No. 5
 

Attila Menesi

Lesezeichen werden in Büchern gebraucht, um dem Leser anzuzeigen, wo er sich gerade befindet. Heutzutage trifft man nur noch selten auf solche Bücher mit Lesezeichen in Form von miteingebundenen feinen Stoffbändchen, die insbesondere auch farblich zum Umschlag passen. Viele behelfen sich ohnehin mit Eselsohren. Es gab sogar Lesezeichen, aus Papier, bei denen auf der einen Seite eine kurze Inhaltsangabe des Buchs wiedergegeben wurde, oft Gelabere, und auf der anderen Seite wurde die nächste Neuerscheinung der Serie angekündigt oder ein Stundenplan abgedruckt.

Andererseits bedeutet ein Lesezeichen eine Hervorhebung der Stelle, an der es eingelegt ist. Dort öffnet sich das Buch zuerst. Gerade im Katalog einer Gruppenausstellung könnte das interessant sein. Man könnte entweder solch ein feines Stoffbändchen - oder auch zwei - in den Epigonen-Katalog miteinbinden - das wäre die einfachere Lösung -, oder man sollte Papierstreifen einfügen, die dasselbe Hochformat wie der Katalog haben, aber vielleicht nur ein Drittel so breit sind.
Auf diese Streifen wäre nichts anderes zu drucken als einzelne Teile des Kataloges, und zwar genau eins zu eins. Dies müßte so vor sich gehen, daß entsprechend zur Auflagenzahl so viele Drittel-Streifen geschnitten werden, um jeweils einen in einen Katalog einfügen zu können. Dafür könnten die Probeandrucke verwendet werden, oder es müßte gesondert nochmals so viel gedruckt werden, wie gebraucht wird. Wenn ich richtig rechne, gibt es von der Seite eines jeden Teilnehmers drei Lesezeichen. Falls es die Möglichkeiten zulassen, können Einzelne ihre eigenen Seiten bezeichnen, falls es beispielsweise Belegexemplare geben sollte.

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 László L. Révész

 Der Epigone hütet (treu) die Geheimnisse des Wissens.
 Der Epigone war noch nicht im Paradies.
 Oder es handelt sich hier um die Frucht eines anderen Apfelbaums.

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 András Lengyel

 Originales Kosuth-Fragment (Sammlung A. Lengyel)

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Mária Chilf

Wenn für kurze Zeit an einer Insel, die völlig abgeschnitten von der gegenwärtigen Zivilisation ist, ein Schiff anlegt, auf dem sich ausschließlich gesunde Menschen befinden, brechen auf der Insel trotzdem Krankheiten aus, die dort unbekannt und typisch für unsere Länder sind: Gürtelrose, Grippe, Spanische Krankheit, Rheuma usw.

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Gábor Szörtsey

Wenn man vom Schlaf überfallen wird und die Augen versuchen, sich bewußt an die Dinge zu heften, ist es nicht leicht, wieder aufzuwachen und so zu sehen, als ob man träumte, als ob die Augen nicht wüßten, wozu sie da sind und ihr Blick sich nach innen richten sollte.

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Gábor Tóth
...
8. Mich interessieren nicht die theoretisch-konzeptuellen und auch nicht die mechanisch
reproduzierenden Ansätze zum Thema, sondern der Aspekt, der den Kern des Epigonismus verhüllt. Über den Informationsmangel sprach ich schon an anderer Stelle. Um eine andere konkrete Verhüllung handelt es sich bei der Verpackung, beim Verpacken von Kunstwerken.
9. Ich möchte die Verpackung einer Arbeit, die bei irgendeinem Kunsttransport gebraucht wurde, reproduzieren und ausstellen. Es geht nicht um die bekannten, herkömmlichen Verpackungsmittel, sondern eher um den Inhalt verhüllende Verpackungsarten, wie sie beispielsweise unter den früheren Arbeiten von Dóra Maurer zu finden sind. ... Das so verpackte Etwas ... soll in der Ausstellung neben der ausgepackten Originalarbeit gezeigt werden. Dazu folgende Angaben: Gábor Tóth: (Autor des Originals): (Originaltitel).
10. Die so ausgestellte Arbeit wird nach meiner Ansicht die Unsicherheit in Fragen Originalität und Epigonismus in ganz richtiger Richtung weiter steigern und mögliche Verwirrungen aus dem Weg räumen.

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Sándor Bodó Nagy

Wir konnten einen Überblick darüber gewinnen, wieviele verschiedenen Modulationen,
Möglichkeiten und Bezüge unter Ausschöpfung und Auslotung des EPIGONISMUS bestehen. Im Sinne der neuen Relationen und Einsichten versuche ich mir so eine Meinung zu bilden, daß ich das Schwergewicht ausschließlich auf die wichtigsten "Anbindungen", die Kommunikation untereinander sowie auf die Analyse und Untersuchung dieser Kommunikation lege. Später KOMMT dann die fertige Arbeit.

... Man muß bereits fertige Arbeiten, Kunstgegenstände, vom Arbeitsprozeß, seinen Phasen und verschiedenen Situationen genau unterscheiden. Diese Bereiche bringen das Kunstwerk dadurch zustande, daß sie untereinander kommunizieren. Dabei decken sie ehemals unergründliche Horizonte auf und erweitern sich bis ganz an die Grenzen der erhaltenen Information.

Eine Konkretisierung dieses Verhältnisses ist notwendig, weil später darin der Arbeitsprozeß verankert werden muß - falls wir auf eine ernsthafte Arbeitsbeziehung hinstreben und davon erwarten, daß das gedankliche Thema unserer Arbeiten eindeutig sei.

... Ich denke an eine Arbeit mit dem Titel "ANFANG", die daraus bestehen würde, daß ich mich vor Ort mit allen über ihre Arbeiten unterhalten würde und ein Teil des Prozesses im Aufbau der Ausstellung wäre. Wenn dann die Arbeiten samt Titeln stehen, gebe ich beidem - also ihrem Verhältnis innerhalb des ganzen Ablaufs - einen Titel. Dieser soll rot auf zitronengelbem Papier erscheinen und auf gleicher Höhe über den einzelnen Arbeiten angebracht werden. Ich weiß noch nicht, ob sich dabei ein Zusammenhang herstellen läßt. Aber ich will in keinem Fall provozieren oder
behindern, sondern zusammenfassen und die Ausstellung sowie die Arbeiten im einzelnen mit einer neuen, komplexen Gedanklichkeit ausstatten. Natürlich ist dafür besondere Aufmerksamkeit und ein guter Dolmetscher vonnöten.

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Agnes Eperjesi, Tibor Várnagy

Aus den Erfahrungen heraus, die wir beim Erstellen der Epigonen-Zeitung sammelten, möchten wir folgende Arbeit verwirklichen:
Teewasser wird in einem funktionierenden Kühlschrank von einem Tauchsieder erhitzt, der in einem Glasbehälter steht. Die Tür des Kühlschranks ist geschlossen. Wir sind gespannt, ob es möglich ist, irgendeine Form von Gleichgewicht zwischen den erhöhten und erniedrigten Temperaturen zu erzielen. Und wenn dies der Fall ist, welcher Art es wohl ist. Und inwiefern das entstandene Gleichgewicht beeinflußt wird, wenn neugierige Besucher die Arbeit anschauen, die Tür aufmachen und Wärme hineinlassen. Der Titel des Werks ist Sensus Communis / Energieverschwendungs-Aktion. ...